Texit: Verlässt Texas jetzt die USA?
Von Thomas Trescher
Als Donald Trump auf seinem schottischen Golfplatz stand, und den Schotten zum Votum gratulierte, die EU zu verlassen, obwohl sie mehrheitlich dagegen gestimmt hatten, war der Brexit nicht der einzige Ausstieg, zu dem er befragt wurde. Ein Reporter wollte wissen, ob er auch den Texit befürworten würde. Texit, so heißt der Plan einiger Texaner, die Vereinigten Staaten zu verlassen. Trump gab eine Trump-Antwort: "Die Texaner würden das nie tun, die Texaner lieben mich", sagte er dem Reporter.
Der Brexit und der Texit seien fast ident
Aber würden sie das wirklich nie tun? Der Ausdruck Texit ist neu, aber die Forderung nach einer Sezession von den USA ist es nicht. Und nach dem Votum der Briten, die Europäische Union zu verlassen, fühlen sich in Texas jene im Aufwind, die seit Jahren fordern, der Bundesstaat Texas solle die Vereinigten Staaten verlassen. "Der Brexit hat gezeigt, dass es möglich ist, eine erwachsene Konversation über Unabhängigkeit zu führen und den Wählern das letzte Wort zu geben", sagte Daniel Miller, Präsident des Texas Nationalist Movement am Freitag. Er strebt ein Votum im Jahr 2018 an.
Miller sagte dem britischen Guardian, die Ideen hinter dem Brexit und dem Texit seien im Grunde ident: "Wenn man ‚Großbritannien‘ durch ‚Texas‘, ‚EU‘ durch ‚USA‘ und ‚Brüssel‘ durch ‚Washington DC‘ ersetzt und den Leuten einen texanischen Akzent gibt, würde niemandem ein Unterschied auffallen." Noch etwas wäre gleich: Dass Texas wie Großbritannien wirtschaftlich enorm stark ist – wäre Texas ein eigener Staat, er würde zu den Top10-Wirtschaftsmächten der Welt zählen; 27 Millionen Menschen leben in dem Bundesstaat.
Wollten die USA im Vorjahr Texas besetzen?
Darüber, wie viele Texaner eine Sezession befürworten, gibt es keine Zahlen. Über 200.000 Likes auf Facebook hat jedenfalls das Texas Nationalist Movement; ungefähr so viele wie die Seiten der texanischen Demokraten und Republikaner zusammen. Aber die Idee geht weit zurück in die Geschichte Texas – und erst vergangenes Jahr gab eine Auseinandersetzung zwischen den USA und Texas, die "rather absurd" war, wie die Briten sagen würden. Weil einige Texaner, wie die Amerikaner sagen würden, "batshit crazy" sind.
Als das US-amerikanische Militär die groß angelegte Truppenübung "Jade Helms" in mehreren Bundesstaaten abhielt, zu denen auch Texas gehörte, machten verschiedenste Verschwörungstheorien die Runde. Eine davon: Dass das US-Militär mit dem Manöver den geheimen Plan hegt, Texas zu besetzen. So weit, so lustig; hätte nicht der texanische Gouverneur Greg Abbott seine "Texas State Guard" angewiesen, die Übung zu überwachen, um sicherzustellen, dass "die Sicherheit und die Rechte der Texaner nicht beeinträchtigt werden". Ted Cruz, damals noch Präsidentschaftskandidat und Senator aus Texas, kündigte an, dass er bereits mit dem Pentagon Kontakt aufgenommen habe, um genaueres über das Militärmanöver zu erfahren.
Der einsame Stern
Aber wie kommen die Texaner eigentlich auf die Idee einer Abspaltung? Unter anderem, weil ihre Geschichte mit einer Sezession begann. 1836 spaltete sich Texas nach einem Unabhängigkeitskrieg von Mexiko ab, die Schlacht vom Alamo ist der Gründungmythos des Staates und bis heute allgegenwärtig: Das Fort Alamo wurde von rund 200 texanischen Soldaten gegen rund 1800 Mexikaner verteidigt; das Fort wurde gestürmt, die Schlacht verloren und alle Verteidiger kamen ums Leben. Aber die unterlegenen Soldaten werden bis heute als Helden verehrt. Und 1836 mobilisierte die Schlacht genug Texaner, um den Krieg zu gewinnen.
Knappe zehn Jahre war Texas ein eigener Staat, bis es 1845 den USA beitrat. Nur um 1860 wiederum seinen Austritt zu erklären – als Teil der Konföderation der Südstaaten, die den amerikanischen Bürgerkrieg auslöste. Der Süden verlor bekanntlich, Texas blieb Teil der USA. Aber so wirklich wie Amerikaner fühlten sich viele Texaner nie. Die Staatsflagge ist der ‚Lone Star‘ – der einsame Stern. In den 1990ern warb Texas mit dem Slogan: "It’s Like A Whole Other Country." Und seit 2003 müssen die Schulkinder in Texas nicht nur der amerikanischen, sondern auch der texanischen Flagge Treue schwören.
Trump muss seine Mauer "ein bisschen weiter nördlich bauen"
2009 begannen die Zuhörer bei einer Rede des damaligen Gouverneurs von Texas, Rick Perry, "Secede, secede" ("Abspaltung, Abspaltung") zu rufen, woraufhin der bekundete: "Wenn Washington nicht aufhört, seine Nase in die Angelegenheiten der amerikanischen Bürger zu stecken, wer weiß, was dann passiert." Und nachdem Barack Obama 2012 als Präsident wiedergewählt wurde, unterzeichneten mehr als 125.000 Menschen eine Petition an das Weiße Haus zur Abspaltung des Staates, die freilich abgelehnt wurde (und gefolgt wurde von einer aus der – im Gegensatz zum Rest des Staates liberalen – Hauptstadt Austin, sich in dem Fall von Texas abzuspalten).
Jetzt, das sagt zumindest Daniel Miller vom Texas Nationalist Movement, ist der richtige Zeitpunkt dafür, es noch einmal zu versuchen. Und er wirkt nicht so, als könnte ihn Donald Trump davon abhalten. Der müsse seine berüchtigte Mauer wohl "ein bisschen weiter nördlich bauen", sagt Miller. Also nicht an der Grenze zwischen Texas und Mexiko, sondern an der zwischen Texas und den angrenzenden US-Bundesstaaten.
Das Dumme an der Sache: Während der mittlerweile berühmte Artikel 50 den Ausstieg aus der Europäischen Union regelt, gibt es dazu kein Pendant in der amerikanischen Verfassung, ganz im Gegenteil. Der Supreme Court der Vereinigten Staaten urteilte 1869 nach dem amerikanischen Bürgerkrieg, dass die Staaten der Konföderation im Zuge des Krieges die Union nicht verlassen haben – weil es nicht möglich ist, dass ein Staat die Vereinigten Staaten auf seinen eigenen Wunsch hin verlässt. Der klagende Staat damals: Texas.