Aufstieg und Fall des mächtigen Oligarchen
Von Stefan Schocher
Der 13. März 2014, Schauplatz Wien Schwindgasse. Die Polizei nennt es lapidar "Zugriff". Die Zielperson aber hat es in sich: Dmytro Firtasch, der gerade vom Sitz einer seiner Firmen aufgebrochen ist, wird auf offener Straße verhaftet, seine Leibwächter, ohne die er keinen Schritt tut, leisten keinen Widerstand. Er wird inhaftiert und nach Hinterlegung einer Kaution (125 Millionen Euro) wieder auf freien Fuß gesetzt. Schon ohne die Verhaftung waren es turbulente Wochen für Firtasch. Im weltpolitischen Gefüge hatte sich so einiges gegen ihn gewandt.
In der Ukraine war wenige Wochen zuvor Präsident Viktor Janukowitsch nach Protesten mit bürgerkriegsähnlichen Ausmaßen aus dem Amt gefegt worden, nach wie vor war die Lage alles andere als ruhig. Russland hatte sich die Krim einverleibt und für den 16. März ein Referendum anberaumt. Für Firtasch galt es, sich grundlegend neu auszurichten.
Entsprechend sorgte der Zeitpunkt der Verhaftung auf Grundlage eines US-Antrags für Spekulationen. Wieso jetzt? Ein Schuss vor den Bug Russlands angesichts der Krim-Krise (drei Tage vor dem Referendum)? Das juristische Ausbremsen eines Mannes, der sich umfassend in die politische Neuordnung der Ukraine einmischen könnte?
Riesiges Imperium aufgebaut
Die Jahre, da Janukowitsch die Ukraine in ein Familienunternehmen umzuwandeln versuchte, hatte Firtasch durchaus zu nutzen gewusst – galt er doch als Mitglied des abschätzig "La Familia" genannten Kreises um Janukowitsch. Aus der zweiten Reihe der Oligarchen hatte er sich in kürzester Zeit zu einem der reichsten, vor allem aber politisch einflussreichsten Männer der Ukraine gemacht und ein riesiges Imperium aufgebaut: Düngemittel- und Chemiefabriken, Banken, Handel mit seltenen Metallen und Erden, Medien. Machtbasis: Die Partei der Regionen. Er hatte getreue Abgeordnete im Parlament, bekleidete das Amt des Präsidenten des Arbeitgeberverbandes und war enger Berater Janukowitschs.
Wobei er wohl politisch diversifizierte: Hartnäckig halten sich Gerüchte, Klitschkos Partei UDAR (eines der politischen Zugpferde der Maidan-Revolte) sei von Firtasch finanziert worden. Ein Indiz für seinen im März 2014 bereits schwindenden Einfluss ist der Umstand, dass es der damalige Präsidentschaftskandidat und heutige Präsident Petro Poroschenko (selbst aus den Reihen der Großunternehmerschaft) und Oppositionspolitiker Vitali Klitschko für wert befanden, Firtasch gleich nach dessen Haftentlassung auf Kaution in Wien diskret zu besuchen. Was da besprochen wurde, ist Gegenstand von Spekulationen. Es dürfte aber darum gegangen sein, Klitschko von einer Kandidatur um die Präsidentschaft abzubringen. Das wohl mit dem Hintergrund, ein politisches Comeback von Firtaschs Erzfeindin Julia Timoschenko zu verhindern. Es war genau Timoschenko, die in populistischer Tonlage immer wieder ein Thema auf den Tisch brachte, das durchaus auch für sie heikel sein könnte: Beziehungen zum Schattenmann der Schattenmänner der russischen Mafia, Semjom Mogilewitsch. Timoschenko sagt, Firtasch sei Mogilewitschs Handlanger; Firtasch weist das zurück und wirft viel eher Timoschenko solche Verbindungen vor.
Konkurrenzkampf
Fakt ist: Im Gas-Geschäft fochten Firtasch und Timoschenko über Jahre einen bitteren Konkurrenzkampf aus, den Firtasch letztlich für sich entschied. Firtasch blieb in der Branche, gut vernetzt in Kiew, bestens in Moskau (er agierte als Zwischenhändler zwischen der russischen Gazprom und der ukrainischen Naftogaz). Timoschenko ging in die Politik – und bekämpfte Firtasch mit dem ganzen Arsenal der Politik.
Mit Janukowitsch an der Macht wendete sich das Blatt. Jetzt war es Timoschenko, die in der Defensive war und letztlich in Haft landete. Und Firtasch? Während Janukowitsch auch in den Reihen der getreuen Oligarchen umschichtete, langjährige Strippenzieher im eigenen Lager ins Abseits schob und immer mehr Macht in einem kleinen Kreis Getreuer bündelte, baute Firtasch sein Imperium aus.
Die Trump-Connection
Zu dieser Zeit in Kiew aktiv war auch ein gewisser Paul Manafort, seines Zeichens Politikberater und Lobbyist. Einige Jahre später sollte er Donald Trump als Kampagnenmanager dienen – um dann aber vorzeitig zurückzutreten. Sein Name taucht später im Dossier eines britischen Ex-Agenten auf. Da heißt es: Janukowitsch habe Manafort gegenüber Putin höchstpersönlich als sicheren Empfänger russische Geldzahlungen gepriesen.
Auch von einer Barzahlung in der Höhe von 13 Millionen Dollar an Manafort für dessen Dienste in Kiew ist die Rede. Als Überbringer wird Firtasch gehandelt. Dieser Hinweis geht allerdings auf Timoschenko zurück. Konkret findet er sich in einer Klage Timoschenkos gegen Firtasch aus dem Jahr 2011 vor einem US-Gericht. Sie bezieht sich an sich auf ein gemeinsames Hotel-Projekt Manaforts und Firtaschs in New York, das aber nie zustande kam.
Sowohl Russland als auch Teile der US-Administration dürften derzeit großes Interesse an Firtasch haben – und vor allem daran, dass er redet – oder eben auch nicht redet. Insider glauben, dass es sich bei den Bemühungen der USA um Firtasch letztlich auch um eine Machtdemonstration der US-Justiz handelt. Frei nach dem Motto: Wir kriegen jeden.