Politik/Ausland

Putin steht am Pranger

Die Worte von US-Präsident Barack Obama waren deutlich: Die malaysische Passagiermaschine sei aus einem von Separatisten kontrollierten Gebiet abgeschossen worden; Moskau habe es "immer wieder" verabsäumt, die erforderlichen Schritte zur Deeskalation in der Ostukraine zu setzen; stattdessen habe es die Separatisten ständig mit schweren Waffen, darunter auch Luftabwehrraketen, versorgt.

Damit ließ der amerikanische Präsident 24 Stunden nach der Tragödie kaum Zweifel daran, wen er für den eigentlich Schuldigen hält: Russland und Präsident Wladimir Putin. "Wir werden sicherstellen, dass die Wahrheit ans Licht kommt."

Obama droht

Obama forderte eine sofortige Waffenruhe für die Ostukraine. "Wenn Putin entscheidet, dass keine Waffen und keine Kämpfer in die Ukraine gelangen dürfen, dann wird das (die Gewalt, Anm.) aufhören." Und er drohte: Die USA seien in der Lage, ihre Sanktionen gegen Russland zu verschärfen.

Auch für die meisten anderen Staaten, die sich zu Wort meldeten, stehen Russland oder von Russland unterstütze Rebellen hinter der Tat. Und auch internationale Organisationen wie die NATO äußerten sich sehr direkt. Ein Sprecher: "Wir sind besorgt über die wachsende Zahl schwerer Waffen, die von den Separatisten in der Ostukraine genutzt werden, und über die zunehmende Komplexität der Waffensysteme."

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) berief für Freitag eine Sondersitzung ein, ebenso wie der UN-Sicherheitsrat. Vor diesem machte der russische UNO-Botschafter Witali Tschurkin die Regierung in Kiew verantwortlich: Grund für die Eskalation sei die Offensive der ukrainischen Armee gegen die Separatisten. Außerdem warf er der ukrainischen Regierung vor, zivile Flugzeuge über dem Kampfgebiet erlaubt zu haben: "Heute hat Kiew den Luftraum vollständig gesperrt. Warum konnten sie das nicht früher machen und nicht darauf warten, dass es hunderte Opfer gibt?" Schon Tags zuvor Präsident Putin der Regierung in Kiew die Schuld zugewiesen, denn diese sei verantwortlich für die Kämpfe in der Ostukraine.

Die US-Botschafterin bei der UNO, Samantha Power, deutete eine Verstrickung Russlands in den Abschuss an: "Wir können nicht ausschließen, dass russisches Personal beim Betrieb dieser Systeme geholfen hat."

Australien wiederum berief den russischen Botschafter ein. Premier Tony Abbott machte indirekt Russland für die Tat verantwortlich – ohne das Land beim Namen zu nennen: "Das Schikanieren kleiner Länder durch große, das Herumtrampeln auf Recht und Anstand, alles im Streben nach nationaler Selbstverherrlichung, und die rücksichtslose Gleichgültigkeit gegenüber Menschenleben sollten in unserer Welt keinen Platz haben."

EU wartet ab

Abwartend reagierte die EU. Beim bevorstehenden Treffen der EU-Außenminister kommenden Dienstag stehe keine Ausweitung der Sanktionen gegen Russland auf dem Programm. Zunächst müssten die am Gipfel beschlossenen Maßnahmen umgesetzt werden, so Österreichs Außenminister Sebastian Kurz. Eine Liste der Personennamen, die auf die Sanktionsliste genommen werden sollen, ebenso wie die Namen einer Reihe von Unternehmen, die mit Beschränkungen belegt werden, soll in den kommenden Tagen vorgelegt werden. Auch eine mögliche Ausweitung der direkten Hilfe für die Ukraine durch die EU soll bei dem Treffen kein Thema sein. Im Gespräch war immer wieder eine Ausweitung der militärischen Zusammenarbeit. Nicht ausgeschlossen wurde jedoch, dass einzelne Mitgliedsstaaten mit der Ukraine zusammenarbeiten könnten – wie etwa Polen oder die baltischen Staaten.

Polens Premier Donald Tusk sprach am Freitag von einem "Terrorakt". Die baltischen Staaten reagierten besonders heftig auf den Abschuss. Lettlands Außenminister Edgars Rinkievics forderte ein "Auslöschen der Terrorhöhle", womit er die pro-russischen Separatisten in der Ostukraine meinte.

Weltweite Trauer und die Suche nach den Schuldigen dominieren nach der Katastrophe: Wurde die Maschine der Malaysia Airlines tatsächlich abgeschossen? Und wenn ja, wer trägt die Schuld am Tod der 298 Menschen an Bord von Flug MH 17? Russland und die Separatisten in den abtrünnigen Regionen Donezk und Lugansk beschuldigen die Ukraine, diese spricht von einem Terrorakt und beschuldigt offen Russland. Auch für die USA trägt Russland zumindest eine Mitschuld an der Katastrophe.

Separatisten verantwortlich?

Schon zuvor war bekannt geworden, dass es laut US-Geheimdienst "sehr wahrscheinlich" sei, dass pro-russische Separatisten das Flugzeug mit einer Rakete abgeschossen haben. Das geht nach Angaben des SendersCNN aus einem vorläufigen Geheimdienstbericht hervor. Die Separatisten wiederum beteuern, sie hätten gar keine solchen Abwehrwaffen. Der ukrainische Generalstaatsanwalt und die NATO deuteten deshalb an, dass die Rakete aus Russland geliefert worden sein könnte.

Vor einigen Tagen wurde über einen Twitterkanal, der den Separatisten zugeordnet wird, ein Foto eines angeblich aus dem Bestand der ukrainischen Armee erbeuteten Raketensystems zur Flugzeugabwehr veröffentlicht und kurze Zeit später wieder gelöscht (mehr zum Raketensystem siehe Hintergrund).

Verwechslung möglich

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Ein schlüssiges Motiv hätten die pro-russischen Separatisten nicht. Deshalb sei es möglich, so mehrere Stimmen am Freitag, dass die pro-russischen Rebellen die MH 17 mit einem Militärflugzeug verwechselt haben. Der Verteidigungsminister der "Volksrepublik Donezk" soll kurz vor Bekanntwerden des Absturzes gepostet haben, dass die Rebellen erneut einen Armeejet abgeschossen hätten. Nach Bekanntwerden des Absturzes sind diese Einträge gelöscht worden. Zudem veröffentlichte der Sicherheitsdienst der Ukraine den Mitschnitt eines angeblichen Telefonats der russischen Separatisten mit Militärs in Russland, die über das abgeschossene Flugzeug sprechen. Das Ganze wurde von der Botschaft der Ukraine veröffentlicht (siehe Video weiter unten). Die Separatisten bezeichneten den Mitschnitt Freitagabend als Fälschung.

Nach dem Absturz hat der ukrainische Parlamentspräsident Alexander Turtschinow den Westen zu Waffenlieferungen aufgefordert. Die internationale Gemeinschaft müsse die prowestliche Führung mehr unterstützen im Kampf gegen pro-russische "Terroristen", sagte er am Freitag in Kiew.

Wladimir Putin und Angela Merkel forderten eine mehrtägige Waffenruhe, um den Fall genau zu untersuchen und Verhandlungen zuermöglichen. Die Separatisten in Donezk lehnten diese allerdings ab.

Warum flog die Maschine über das Krisengebiet?

Einige Fluggesellschaften reagierten umgehend auf das Unglück und änderten ihre Flugrouten nach Asien. Inzwischen wurde der Luftraum über der Ostukraine gesperrt.

Die EU-Kommission hat das Krisengremium für die Europäische Luftfahrt (EACCC) einberufen. Die Gruppe sei aktiviert worden, um die Auswirkungen auf den Luftverkehr zu koordinieren, sagte der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Siim Kallas, am Freitag in Brüssel. Die Gruppe soll die Sicherheit von Flügen garantieren.

AUA-Flüge teilweise gestrichen

Die AUA (Austrian) hat am Samstag und Sonntag je zwei Ukraine-Flüge gestrichen. Betroffen seien Flüge nach Charkow und Dnjepropetrowsk, teilte ein AUA-Sprecher der APA am Freitagabend mit. Die am Freitag ebenfalls gestrichenen Flüge nach Rostow am Don und Krasnodar würden jedoch ab Samstag wieder aufgenommen. Die Flugrouten seien geändert worden. Insgesamt werde der ostukrainische Raum "weiterhin weiträumig umflogen", hieß es in einer Austrian-Aussendung. Passagiere, die für den Zeitraum zwischen 21. und 27. Juli gebuchte Tickets für Flüge von oder nach Charkow (Kharkiv) oder Dnjepropetrowsk (Dnipropetrowsk) haben, erhalten eine einmalige kostenlose Umbuchungsmöglichkeit, teilte Austrian mit. Der neue Abflug müsse spätestens am 21. Oktober 2014 erfolgen.

Mehrere Passagiere entkamen dem sicheren Tod, weil sie kein Ticket mehr bekamen oder umbuchen mussten.