Deutschland: Widerstand gegen türkische Gülen-Ermittlungsersuche
Der Versuch der türkischen Regierung, gegen in Deutschland lebende Anhänger des Predigers Fethullah Gülen vorzugehen, stößt auf deutliche Kritik. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann zeigte sich am Freitag befremdet, der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin sprach von einer Hexenjagd auf Gülen-Anhänger in Deutschland.
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnte mit Blick auf eine für Sonntag geplante Großkundgebung von Anhängern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Köln, türkische innenpolitische Auseinandersetzungen hätten in Deutschland keinen Platz. Ähnlich hatte sich auch Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) nach den Pro-Erdogan-Protesten in Wien, bei dem es zu Vandalismus gegen ein kurdisches Restaurant kam, geäußert.
Kretschmann sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, das türkische Generalkonsulat in Stuttgart habe die Landesregierung aufgefordert, "Vereine, Einrichtungen, Schulen, die nach Meinung der türkischen Regierung von der Gülen-Bewegung wie sie sagt 'betrieben' werden, einer Prüfung zu unterziehen". Der Grünen-Politiker kritisierte: "Hier sollen Leute auf irgendeinen Verdacht hin grundlos verfolgt oder diskriminiert werden." Trittin wertete das Begehren im "Handelsblatt" als "dreiste Forderung nach Verfolgung".
Vereinzelte Aktion
Offenbar handelte es sich bei dem Begehren des Generalkonsulates um eine vereinzelte Aktion. Nach Angaben der Regierungen von Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen vom Freitag sind dort vergleichbare Schreiben nicht eingegangen. Alle drei Länder sind auch Standorte türkischer Generalkonsulate. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte am Donnerstag gefordert, Deutschland solle türkische Richter und Staatsanwälte mit Verbindungen zu Gülen, die sich nach Deutschland abgesetzt hätten, ausliefern.
Die Türkische Gemeinde in Deutschland rief indes zur Besonnenheit auf. Der Bundesvorsitzende Gökay Sofuoglu bezeichnete die Stimmung unter den türkischstämmigen Menschen in Deutschland als sehr angespannt. Es gehe ein Riss durch die türkische Gesellschaft. "Es werden Freundschaften aufgekündigt. Und auch innerhalb von Familien gibt es Probleme." Ob es in Deutschland deshalb zu Gewalt komme, wolle er nicht prophezeien. "Ich kann nur zur Mäßigung aufrufen." Man könne in Deutschland demonstrieren und seine Meinung kundtun - aber ohne Gewalt.
Warnung an türkische Verbände
Die deutsche Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz hat indes eine scharfe Warnung an türkische Verbände im Land gerichtet. Wer in Deutschland zu Hass und Gewalt anstachle, müsse mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen, sagte die stellvertretende SPD-Vorsitzende dem "Tagesspiegel" (Freitag). Es sei inakzeptabel, wenn hier ansässige türkische Verbände "Ressentiments oder sogar Hass, Gewalt und Spaltung in Deutschland schüren", so die Regierungsbeauftragte.
Erdogan hält den im US-Exil lebenden Gülen für den eigentlichen Drahtzieher des gescheiterten Putsches vom 15. Juli. Die Hizmet-Bewegung um den Geistlichen gilt in der Türkei als terroristische Organisation. Im Rahmen der Maßnahmen gegen mutmaßliche Anhänger der Putschisten wurden bisher über 60.000 Menschen von ihren Posten in Militär, Bildungswesen und Verwaltung entfernt, es gab rund 16.000 Festnahmen. Im Ausland wächst die Sorge, Erdogan wolle nicht nur gegen die Aufständischen vorgehen, sondern die gesamte Opposition ausschalten. "Jetzt gehen die Reaktionen über jedes Maß hinaus", sagte Steinmeier den Dortmunder "Ruhr Nachrichten".