Aufschrei nach Exzess in Köln
Von Evelyn Peternel
"Die Einsatzlage gestaltete sich entspannt – auch weil die Polizei sich an neuralgischen Orten gut aufgestellt und präsent zeigte." Die Pressemeldung der Kölner Polizei nach der Silvesternacht klingt, als wäre nichts passiert.
90 Anzeigen
Heute, fünf Tage später, spricht jedoch ganz Deutschland von jenem Exzess, der sich am Hauptbahnhof der Domstadt ereignet hat: Trotz Polizeipräsenz wurden dort Frauen reihenweise von Männern in Gruppen attackiert, bestohlen und sexuell belästigt – 90 Anzeigen gingen ein, ein Opfer wurde vergewaltigt. Ähnliches soll sich – in kleinerem Format – auch in Hamburg zugetragen haben. Die Täter sollen laut Augenzeugen Männer aus dem arabischen oder nordafrikanischen Raum gewesen sein.
Wie konnte das passieren? Der Aufschrei ist groß, auf politischer Ebene ebenso wie in den sozialen Netzwerken. Während die Politik "harte Konsequenzen" für die Täter fordert, Justizminister Heiko Maas sogar davon spricht, dass es so etwas "in der Dimension noch nicht gegeben" habe, wird im Netz der Vorwurf der Vertuschung laut: Die Exekutive war nicht nur während der Übergriffe vor Ort, sondern ließ sich mit der Veröffentlichung der Fakten auch noch viel zu viel Zeit, heißt es da.
Dürre Faktenlage
Am Dienstag übte man sich deshalb in Schadensbegrenzung. "Der volle Umfang der Vorfälle ist uns erst am nächsten Tag klar geworden", so Polizeipräsident Wolfgang Albers. In der Silvesternacht selbst habe es nur drei Notrufe gegeben, die Anzeigen seien erst im Laufe des Tages eingetrudelt – deshalb habe man so langsam reagiert. Was die Vertuschungsvorwürfe angeht, wies man aber jegliche Unterstellung von sich: "Es gibt bisher keine Erkenntnisse, keine Tatverdächtigen", so Albers. Man wisse nur, was die Opfer ausgesagt hätten – eben, dass es sich um junge Täter aus dem arabischen oder nordafrikanischen Raum handle." Sie deshalb mit Flüchtlingen gleichzusetzen, verbat sich auch Oberbürgermeisterin Henriette Rekers: "Es gibt keinen Hinweis darauf."
Antanz-Trick
Hinweise gebe es vielmehr darauf, dass die Täter amtsbekannt sind; dies lege ihre Vorgehensweise nahe. Sie gingen mit einem in Köln weit verbreiteten Trick vor – dem "Antanzen", bei dem das Opfer bedrängt und bestohlen wird; neu sei, dass es auch zu sexuellen Übergriffen komme. Ob man der Männer habhaft wird, steht aber in den Sternen: "Die Ermittlungen sind nicht einfach, da die Täter schwer identifizierbar sind", so Albers. In Zukunft werde man bei Großveranstaltungen – wie etwa dem Karneval – auf mehr Präsenz, Videoanlagen und Betretungsverbote für gewisse Personen setzen, um Gefahren zu minimieren.
Gefahren anderer Art ortet die Polizeigewerkschaft. Dort fürchtet man, dass solche Vorfälle rechten Parteien in die Hände spielen – die AfD hat den Vorfall gleich genutzt, um auf "die katastrophale Alsypolitik" Berlins hinzuweisen. In Österreich hat sich die FPÖ des Themas angenommen – sie fordert den Bund auf, die "illegale Masseneinwanderung" zu stoppen. Angela Merkel hingegen forderte, die Schuldigen so schnell und so vollständig wie möglich zu ermitteln – und sie "ohne Ansehen ihrer Herkunft oder ihres Hintergrundes zu bestrafen."