Politik/Ausland

Merkel unter Druck: Zuckerbrot und Peitsche für Erdogan

Richtig gut geklappt hat die Kommunikation zwischen Berlin und Ankara ja schon länger nicht mehr. Da waren der Fall Böhmermann, die Armenien-Resolution und der Streit, ob Abgeordnete deutsche NATO-Soldaten in der Türkei besuchen dürfen – alles nicht gerade einfach.

Jetzt, nach dem Putschversuch in der Türkei, ist die Lage noch um einiges verzwickter. Bisher konnte sich die Hauptakteurin nämlich stets elegant heraushalten – Angela Merkel überließ es anderen, sich gegen Erdogans Politik zu stellen; zu wichtig war ihr der Flüchtlingsdeal, den sie mit dem türkischen Präsidenten paktiert hatte. Damit hat sie sich allerdings selbst in Bedrängnis gebracht. Dass sie selbst am Wochenende des Putsches vage blieb, das in solchen Fällen obligate Telefonat zwischen Berlin und Ankara Außenminister Steinmeier überließ und es auch umging, Erdogan direkt zu adressieren – sie sagte nur, Deutschland stünde an der Seite derjenigen in der Türkei, "die die Demokratie und den Rechtsstaat verteidigen" –, bringt ihr nun Kritik ein. Das sei zu viel Zuckerbrot und zu wenig Peitsche, heißt es nun selbst aus der eigenen Partei. Da half selbst die Botschaft, die sie am Montag über ihren Sprecher ausrichten ließ, wenig: Mit der Aussage, dass die Türkei "bei Einführung der Todesstrafe nicht EU-Mitglied werden" könne, lehnte sie sich angesichts des breiten Konsenses in der EU ja nicht gerade weit aus dem Fenster.

Soldaten-Abzug

Der Chor der Forderungen wird deshalb lauter. Die CSU etwa will, dass die Verhandlungen über Visafreiheit eingestellt werden; die SPD drängt auf Gespräche mit der türkischen Opposition. Auch die Bündnisse mit Ankara werden infrage gestellt: Die Linke fordert den Abzug der 240 deutschen Soldaten aus der Türkei.

Das wäre ein drastischer Schritt. Nicht nur, dass damit der wackelige Flüchtlingsdeal hinfällig wäre, fürchtet man auch ein Überschwappen der Konflikte – mit knapp drei Millionen Personen ist die türkische Diaspora in Deutschland die größte weltweit; und Erdogan hat auch hier viele Anhänger. Merkel bleibt deshalb bei ihrer Linie: An einen Abzug sei nicht gedacht – zumindest derzeit nicht, so das Kanzleramt.