Politik/Ausland

"Schwere Fehler, ernste Lage": Krisenstimmung in Merkels Lager

Nicht nur die Temperaturen lagen in Kreuth in den vergangenen Tagen unter dem Nullpunkt. Auch die Stimmung war frostig – das merkt man jetzt auch in Berlin: Weil die Flüchtlings-Gespräche zwischen CSU-Chef Horst Seehofer und Kanzlerin Angela Merkel bei der Parteiklausur zu nichts führten, herrscht in der Koalition Krisenstimmung.

"Wir sind in einer ernsten Lage", sagte Seehofer am Donnerstag – die Kanzlerin sei ihm "keine Spur entgegengekommen", Berlin habe "schwere Fehler" gemacht. Mit ein Grund für den Zwist ist Österreichs Abkehr von Merkels Willkommenskurs. "Ich begrüße die Entscheidung der österreichischen Regierung", sagte Seehofer zur Einführung der Obergrenze; sein Finanzminister Markus Söder stänkerte, Merkel habe die große Chance verpasst, die Reißleine mit einer eine gemeinsamen Obergrenze zu ziehen. Man drohte auch mit Konsequenzen: Wenn es sein muss, werde die CSU "auch rechtlich" Schritte von Berlin einfordern – eine Erinnerung an die Verfassungsklage, die Bayern in der Schublade hat.

Zwischenbilanz im Februar

Merkel selbst spielt trotz wachsenden Drucks nach wie vor auf Zeit. Sie erbat sich einige Wochen, um ihren Plan A auszuführen– am Freitag trifft sie den türkischen Premier Davutoglu, im Februar findet in London eine große Syrien-Geberkonferenz statt. Sie sprach sogar so etwas wie eine Deadline aus: Eine "Zwischenbilanz" sei dann nach dem EU-Gipfel im Februar fällig. Es mag durchaus sein, dass ihr bis dahin die Entscheidung Wiens dabei in die Hände spielt – nämlich dann, wenn die Domino-Grenzsperren am Balkan dafür sorgen, dass nur mehr Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Afghanistan nach Deutschland gelangen. Asylwerber aus Nordafrika, die seit kurzem verstärkt ankommen, würden so steckenbleiben – das wäre zwar für Griechenland und den Balkan problematisch, aber für die deutsche Innenpolitik ein Vorteil.

Kein Bargeld

Auf solche Gedankenspiele will man sich in Bayern nicht verlassen. Dort betreibt man lieber Abschreckungspolitik: Der Freistaat hat nun publik gemacht, dass man Asylwerbern – ebenso wie das grün regierte Baden-Württemberg – Bargeld und Wertsachen abnimmt, ihnen nur einen kleinen, dreistelligen Betrag lässt. So hofft man die Zahlen zu drücken, denn derzeit stehen täglich etwa 3000 Flüchtlinge vor Bayerns Grenzen. Und diese Zahl wird in Bälde wieder steigen – gemeinsam mit den Temperaturen.