NSU-Prozess endet, viele dunkle Flecken bleiben
Von Evelyn Peternel
373 Verhandlungstage, 815 Zeugen, und fast immer dieselbe Szenerie: Alle Augen sind auf Beate Zschäpe gerichtet, doch die spricht nicht – sie grinst nur.
So, wie der NSU-Prozess 2014 begann, endet er nun auch. Allein, das Interesse an der "infamsten Terrorserie, die das Land seit den Morden der RAF gesehen hat", wie Bundesanwalt Herbert Diemer die zehn Morde des rechtsextremen Terrortrios in seinem Schlussplädoyer nennt, hat im Laufe des Prozesses massiv nachgelassen: Sorgte anfangs noch jede Regung der einzig überlebenden des Trios für Schlagzeilen, sei es ihr Halstuch, ihre Frisur oder ein schiefes Lächeln, so ist die Berichterstattung nun eher überschaubar.
Die Gründe dafür? Sind auch politischer Natur. Denn die meisten Fragen, die sich nach der Enttarnung des Trios im Jahr 2011 stellten, wurden im Laufe des Prozesses gar nicht behandelt: Dass Verbindungsleute des Verfassungsschutzes dem NSU-Trio mehr als nur nahe standen, wichtige Informationen nicht weitergeleitet und Akten vernichtetet wurden, war nie Gegenstand des Verfahrens; ebenso wenig wie der Umstand, dass es massive Ermittlungsfehler seitens der Behörden gab. Dazu kam, dass jene U-Ausschüsse, die die unschönen Verquickungen zwischen rechtsextremer Szene und Verfassungsschutz aufklären wollten, bei ihren Vernehmungen oft auf Granit bissen. "Ich habe Zweifel, ob wir ansatzweise an der Wahrheit über das rechte Netzwerk und die NSU-Helfer dran sind", sagte etwa Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow jetzt – in seinem Bundesland waren die heftigsten Verfehlungen der Staatsschützer ans Licht gekommen.
Szene wächst immens
Dazu kommen die anhaltenden Vertuschungs-Vorwürfe. Zwar wurden der Verfassungsschutz seit Auffliegen des Skandals reformiert und viele Spitzenposten neu besetzt; rechtlich belangt wurden die Ermittler für ihre Fehler aber nie. Dass daneben die rechtsextremen Straftaten nicht zurückgehen, ist für die Politik im Wahljahr auch keine gute Nachricht: Noch nie war die Zahl der Straftaten mit einem rechtsextremen Hintergrund so hoch wie jetzt – 23.555 hat man im Jahr 2016 gezählt; und auch die Anzahl der gewaltbereiten Anhänger der rechtsextremen Szene ist mit 12.100 auf einem Allzeithoch.
Dazu kommen intellektuell anmutende Gruppen wie die Identitären, die seit Kurzem auch in Deutschland Widerhall finden – nach einer Eindämmung der rechtsextremen Szene sieht das nicht gerade aus. Wenig Wunder also, dass sich viele Prozessbeobachter und vor allem die Angehörigen der Opfer ein hartes Urteil als Signal in dem bislang schon 64 Millionen Euro teuren Verfahren wünschen. Geht es nach der Bundesanwaltschaft, wäre das durchaus denkbar: Sie will Beate Zschäpe als Mittäterin verurteilt sehen; nicht als unwissende Mitläuferin, als die sie sich selbst darstellt. Ob das Urteil dann auch politische Folgen haben wird, steht jedoch in den Sternen – fallen wird es nämlich erst nach der Wahl im Herbst.
Schlussplädoyers.Prozess bleibt unter Wahrnehmungschwelle, rechtsextreme Szene blüht indes