Politik/Ausland

Der Sieger ist noch nicht fix, das Ergebnis schon

Es gibt da so eine Geschichte über den Wahlkampf in Deutschland. Bremen, Mitte August; zumindest vom Wetter her hat die heiße Phase begonnen. Nur: Regenwolken verdüstern die Bühne, auf der bald Angela Merkel steht. Just als sie auftritt, reißt der Himmel auf. Und als sie redet, scheint die Sonne. Jubel.

Ein paar Tage später dann Martin Schulz. Selbe Stadt, selbes Wetter, selbst der Regen lässt nach, als er kommt; auch hier Jubel. Irgendwie klingt er auch ähnlich wie Merkel: "Wir haben eine starke Wirtschaft", sagt er, oder: "Noch nie waren so viele Menschen in Arbeit wie heute." Beide sagen: "Deutschland geht es gut."

Die neue deutsche Einheit: Besser lässt sich die Fadesse des Wahlkampfs nicht illustrieren. Es gibt kaum Streit, kaum Konfliktthemen – die Regierungsparteien haben sich so sehr angenähert, dass inhaltlich kaum Reibung entsteht. Auseinandersetzungen finden darum meist auf persönlicher Ebene statt: So geschehen am Sonntag, als Schulz Merkel im ARD-Interview vorwarf, „abgehoben“ zu agieren – was sie später nur gekonnt weglächelte.

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Das setzt sich selbst in der Opposition fort: Stellt die FDP den Sozialstaat infrage? Schon lange nicht mehr. Wollen die Grünen das Eigentum abschaffen? Ach bitte! Dafür hat die Union ihr grünes Herz entdeckt, und die SPD das für die Wirtschaft. Die Folge: CDU, SPD, Grüne und FDP überschneiden sich in so vielen Punkten, dass Koalitionen in jedwede Richtung denkbar sind. Der Sieger steht damit zwar noch nicht ganz fest, aber das Ergebnis schon: Regieren wird definitiv eine der beiden jetzigen Regierungsparteien – und damit altbekannte Politik.

Das klingt zunächst eher nach deutschem Einheitsbrei, muss aber nicht unbedingt schlecht sein. Denn so viel Übereinstimmung entspricht auch dem Wählerwillen: Die vier Parteien vertreten 80 Prozent der Wähler. Und dass daraus auch ein moderater Ton folgt, ist im Sinne der Demokratie auch nicht negativ. In einer Ära der Schreihälse aus Ost und West ist Deutschland mit seiner langweiligen Demokratie ein Garant der Stabilität. Das mag zwar unspannend sein, ist aber gerade im europäischen Kontext förderlich.

Auf-Sicht-Politik

Schwierig wird diese Einheit nur, wenn sie auf die Demokratie einschläfernd wirkt. Das ist ein Vorwurf, den man Angela Merkel nur zu gerne macht: Ihr "Auf-Sicht-Fahren" habe das Interesse der Deutschen an Politik ermüden lassen – was man gut daran merkt, dass etwa im Dieselskandal nie die Frage der politischen Verantwortung gestellt wurde. Auch wurde ihr vorgeworfen, ihre stetige Konfrontations-Vermeidung habe die AfD erst wachsen lassen – dass die "Merkel muss weg"-Rufe zuletzt aber eher weniger wurden, ist deshalb die gute Nachricht für sie: Im Vergleich mit Schulz, der ihr in politischer Langeweile um nichts nachsteht, hat sie den Vorteil, dass man sie wohl noch besser einschätzen kann als ihn.

Alles Sonnenschein also. Oder?