Kretschmann: Grün und dennoch hart in der Asylfrage
Von Evelyn Peternel
Schnelleres Abschieben von Balkan-Flüchtlingen, das Streichen von Taschengeld und ein Beschäftigungsverbot für jene, die sich widersetzen: Die harte Gangart, die Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann jetzt in der Flüchtlingsfrage angekündigt hat, klingt für konservative Ohren durchaus nicht ungewöhnlich. Allein – der 67-Jährige ist ein Grüner.
Kretschmann, der das deutsche "Ländle" vor vier Jahren der CDU entrissen und in eine grün-rote Koalition geführt hat, heftete sich von Anbeginn an auf die Fahnen, " Deutschlands beste Flüchtlingspolitik" zu machen. Zu seinem Amtsantritt erschien das angesichts von bundesweit 50.000 Asylanträgen leicht. Heuer steigt diese Zahl jedoch aufs Zehnfache – und Baden-Württemberg trägt neben Bayern und Nordrhein-Westfalen die größte Last.
Mehr Tempo
Bis zu 80.000 Asylwerber sollen es heuer im "Ländle" werden, ebenso viele wie für ganz Österreich prognostiziert werden. Dass 40 Prozent davon mit ziemlicher Sicherheit wieder abgeschoben werden, hat Kretschmann jetzt zur Initiative veranlasst: Er will, dass Menschen aus dem Kosovo, Albanien, Serbien und Mazedonien, deren Anerkennungsquote bei nur einem Prozent liegt, gar nicht erst in die Kommunen überstellt werden – sie sollen umgehend aus dem Erstaufnahmezentrum abgeschoben werden. "Wir müssen an Tempo zulegen, die Verfahren beschleunigen", so die Aufforderung des Grünen an den Bund. Im Gegenzug fordert er, dass syrische Flüchtlinge – die zu beinah 100 Prozent bleiben – gar kein Verfahren durchlaufen müssen.
Kretschmanns Ideen stoßen parteiübergreifend auf offene Ohren. Mit seinem Ruf nach Restriktionen hat er sich als pragmatischste Stimme im Chor der Ministerpräsidenten etabliert – schließlich rührt das Unbehagen der Länder nicht aus dem Unwillen her, Flüchtlinge aufzunehmen, sondern aus schlichter Überforderung und fehlendem Geld. Beinahe alle Erstaufnahmestellen sind doppelt belegt, überall müssen Ehrenamtliche aushelfen; 5000 Menschen wohnen in Zeltstädten. Der Finanzbedarf der Länder wird für heuer mit fünf Milliarden beziffert – doppelt so viel wie 2014.
65 Prozent Zustimmung
Hamburgs SPD-Bürgermeister Olaf Scholz unterstützt die Idee, Zuwanderer vom Balkan nur dann einreisen zu lassen, wenn sie einen Arbeitsplatz in Deutschland nachweisen können. Bayerns CSU-Chef Seehofer schließt sich – wie viele andere – dem Wunsch nach mehr Geld an. Bei den Grünen selbst genießt Kretschmann seit jeher den Ruf eines Konservativen – kritische Stimmen wurden ob seiner Erfolge immer leiser. Eine Zustimmungsrate von 65 Prozent in der Bevölkerung untermauert das.
Beim Bund hingegen hört man die Forderungen des Grünen nicht so gerne. Berlin will sich erst 2016 an den Pro-Kopf-Kosten für Flüchtlinge beteiligen – weitere Maßnahmen will man im Herbst vorlegen. Derzeit weilt die Bundesregierung nämlich auf Sommerurlaub.