Politik/Ausland

Der ewige Zweite: Schäubles Zukunft ist ungewiss

Als Angela Merkel am Montag am Rednerpult steht, im badischen Offenburg, da geht es nicht um das, was sie sagt. Es geht um das, was sie nicht sagt.

Das weiß auch der Jubilar in der ersten Reihe. Wolfgang Schäuble ist gerade 75 geworden, er scheint das Brimborium um ihn zu genießen, selbst die Blasmusik, die seine CDU für ihn spielen lässt. Seit 45 Jahren sitzt er im Bundestag, ist damit nicht nur der dienstälteste CDUler, sondern auch der längstdienende Mandatar der Geschichte; und immer ist er per Direktmandat gewählt worden. Letztes Mal waren es 56 Prozent in Offenburg, wo er herkommt, wo gefeiert wird.

Keine Antwort

Dass es am Sonntag ebenso viele sein werden, gilt als ausgemacht. Und dass er weitermachen will als Finanzminister, trotz der vielen Jahre in Spitzenämtern, daran lässt er selbst keinen Zweifel. Nur: Ob er noch darf, ist die Frage.

Die Antwort darauf müsste von Merkel kommen. Schon wieder sie, könnte man sagen, denn dieses Wartenlassen steht sinnbildlich für das Verhältnis der beiden – wie auch für sein ganzes politisches Leben: Schäuble ist und bleibt der ewige Zweite, mächtig, aber eben Zweiter.

Anfangs war es Helmut Kohl, der ihn warten ließ. Für ihn leitete er Kanzleramt und Innenministerium, schrieb 1989 den Einigungsvertrag; kam ein Jahr später, nachdem ein psychisch Kranker ihn niedergeschossen hatte, nach nur sechs Wochen Pause zurück. Applaus bekam dennoch immer der Chef, der Kronprinz, wie die Partei ihn ein wenig spöttisch nannte, musste selbst noch zuschauen, als Kohl 1998 die Wahl gegen Schröder krachend verlor. Als Angela Merkel, damals junge Generalsekretärin, mit einem Handstreich die Ära Kohl beendete, stand er ebenso auf verlorenem Posten Er musste als Parteichef zurücktreten, weil er in Kohls Spendenaffäre verwickelt war.

Reserve-Kanzler

Dass Merkel ihn dafür in ihren Schatten verbannte, damit muss er bis heute leben. Die Distanz, die daraus entstand, ist nie verschwunden: Bis heute siezen sich beide, und obwohl sie einander mehr als ähnlich sind, ist aus ihrer Zweckgemeinschaft nie politische Freundschaft geworden. Beide sind pragmatisch, hartnäckig, zielstrebig; und beide wissen um die Kompetenz und Gefährlichkeit des anderen. Merkel verhinderte immer wieder, dass Schäuble Bundespräsident wird; er rang ihr dafür zumindest das Amt des Finanzministers ab.

Ob ihr da bewusst war, dass er so zum Kanzler in Reserve aufsteigen würde, weiß man freilich nicht. Für ihn schien das Amt jedenfalls Genugtuung: Am Höhepunkt der Eurokrise inszenierte er sich als Zuchtmeister, arbeitete sich gründlich am griechischen Finanzminister Yannis Varoufakis ab und beschwor mit seinem "isch over!", das jedes Klischee der sparsamen schwäbischen Hausfrau erfüllte, den Grexit herauf. Im Ausland war der Meister der Schwarzen Null dafür zwar verhasst wie kein Zweiter, im Inland verlieh man ihm aber Bestnoten. Die erlaubten es ihm auch, die Chefin mal hinterrücks, mal mit offenem Mikro zu kritisieren: Als er am Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 vom "unvorsichtigen Skifahrer" sprach, der "Lawinen auslöst", war jedem klar, wen er damit meint.

Am Ende immer loyal

Gestürzt hat er sie dennoch nicht. In den Monate danach, als die Konservativen in der Partei die Kanzlerin, die ihnen viel zu mittig, ja gar schon zu links geworden war, gerne los geworden wären, machte Schäuble nicht mit. Er blieb loyal, und er blieb in der zweiten Reihe.

"Nicht immer einer Meinung, aber immer auf einem gemeinsamen Weg" seien sie gewesen, die Kanzlerin und ihr Finanzminister, sagt sie darum am Montag. Sie weiß durchaus, was sie an ihm hat: Schäuble ist ihr Sprachrohr zu den Konservativen, ihr Blitzableiter, ihre "unverwüstliche Landschildkröte", wie die Zeit ihn einmal taufte. "Dafür danke ich von Herzen", sagt sie.

Nur, ob sie ihn so unverzichtbar hält wie er sich selbst, das lässt sie ungesagt. Dass die FDP just an seinem Geburtstag Ansprüche auf sein Amt stellt, das kommentiert sie nicht.

Er allerdings auch nicht. Die Politik mache ihm Freude, sagte Schäuble nur. Das klingt jedenfalls nicht nach einem baldigen "isch over".