Politik/Ausland

Zehn Jahre Kanzlerin: Angela, die Alternativlose

Was bleibt von einem Kanzler? Von Schröder das Basta. Von Kohl die Wende. Und von Merkel?

Bei solchen Fragen müssen selbst Politologen überlegen. "Es gab das System Kohl, es gab den Auftritt Schröders. Bei Merkel gibt es – nichts", sagt der Herfried Münkler. Der Berliner beobachtet Merkel schon lange, verfolgte die Wandlung von "Kohls kleinem Mädchen" zu der Frau, die ihm den politischen Todesstoß versetzte und selbst ins Kanzleramt einzog. Zehn Jahre ist das her – am Sonntag feiert Merkel Jubiläum.

"Merkeln", das kann sie

"Es ist schon erstaunlich, dass es zehn Jahre geworden sind", sagt Münkler. 2005 glaubte niemand, dass eine ostdeutsche Physikerin mal zur mächtigsten Frau der Welt werden könnte. Heute weiß man es besser. Sie wurde, was sie ist, weil sie tut, was sie am besten kann – warten, abwägen, vage bleiben, auch mal frech die Meinung wechseln – all das sind Dinge, die Merkel die Macht sichern. "Merkeln" nennt der Volksmund das mittlerweile. Herfried Münkler nennt es eine "Politik der systematischen Fehlervermeidung."

Das mache sie auf allen Ebenen, in der Partei ebenso wie bei politischen Rivalen. All jene, die ihr vor zehn Jahren einen schnellen Abgang von der Polit-Bühne prophezeiten, hat sie ausgesessen. "Sie hat die aggressiven Jungs einfach auflaufen lassen", sagt Münkler salopp. Angriffe von aktuellen Gegnern – wie Horst Seehofer – lässt sie gern im Nichts verpuffen, im besten Fall eignet sie sich deren Argumente einfach an. "Sie lässt sich nicht provozieren, in gleicher Weise zurückzuschlagen. Und die Knaben zerfleischen sich währenddessen selbst."

Frauen-Politik

Ob das eine weibliche Art sei, Politik zu machen? Auf jeden Fall. Sie habe gar etwas "spezifisch Weibliches" in die Politik gebracht, sagt Münkler. Das sei auch der Grund, warum sie nach zehn Jahren noch immer im Kanzleramt sitze – und wieso sie Europas längstdienende Regierungschefin ist. "Die EU verträgt keine präpotenten Führungsfiguren." Deshalb war auch sie es, die in allen drei europäischen Krisen tonangebend war: die Griechenland-Hilfe, von deren "Alternativlosigkeit" sie überzeugt war, die Ukraine-Krise, in der sie Russland in die Schranken wies, und die Flüchtlingskrise, in der sie der EU Menschlichkeit verordnen wollte.

Dass sie nun genau daran scheitern könnte, vor allem in der eigenen Partei, darüber munkeln derzeit viele. Sie selber gibt sich aber her unbeeindruckt. Zu Recht: "Es gäbe viele, die gerne putschen wollen. Aber es gibt keinen überzeugenden Kandidaten, der es mit ihr aufnehmen könnte." Also mache sie weiter – auch nach der Wahl 2017: Ein Rücktritt gehöre nämlich nicht zum Modell Merkel. Dass sie dann wieder gewählt wird, können sich Experten gut vorstellen. " Deutschland und Merkel haben sich aneinander gewöhnt", sagt Münkler. Die Deutschen und sie, das sei "fast wie in einer Ehe. Keiner kann sich vorstellen, was danach kommt."

Vielleicht bleibt von ihr deshalb eines: Angela, die Alternativlose.