"Das ist eine neue Dimension des Terrors"
Von Evelyn Peternel
Jetzt ist sie also da, die Debatte, die die deutsche Regierung das ganze vergangene Jahr über vermeiden wollte. Vier Anschläge binnen Kurzem, zwei davon mit mutmaßlich islamistischem Hintergrund, und dazu drei Täter, die zuvor als Asylsuchende ins Land gekommen waren – Flüchtlinge als Terroristen, das Schreckensszenario der Willkommenskultur ist eingetreten.
Den Tagen der Gewalt folgt nun die große politische Zerfleischung – und im Zentrum dieses Wirbels steht, wenig verwunderlich, Angela Merkel. Nicht nur von der AfD und frustrierten Bürgern, die sich im Netz unter dem Hashtag #merkelsommer in Unflätigkeiten ergehen, machen sie persönlich als die Hauptschuldige aus, auch von Opposition und der eigenen Partei kommen ähnliche Töne. "Leichtfertig" sei das "Wir schaffen das" der Kanzlerin gewesen, sagte etwa Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht; man brauche eine "Abschiedskultur", die "Willkommenskultur ist tödlich", hieß es kurz nach dem letzten Anschlag in Ansbach, wo sich ein vom IS aufgehetzter Syrer in die Luft gesprengt hatte und 15 Menschen verletzte, aus der CDU.
Die bayerische Staatsregierung, auf deren Gebiet die zwei islamistisch motivierten Attentate stattgefunden haben, legte am Dienstag nochmals nach. "Das ist eine neue Dimension des Terrors", sagt ein sichtlich mitgenommener Horst Seehofer, und die brauche neue, noch nie dagewesene Maßnahmen. Eine massive Aufrüstung der Polizei, mehr Überwachung der Flüchtlingsheime, eine strenge Kontrolle an den Grenzen und eine nachträgliche Überprüfung aller Zugewanderten seien angebracht, so der CSU-Chef. "Besonnenheit", wie sie die Regierung vermittle, sei das falsche Rezept, so der bayerische Ministerpräsident. Deshalb werde man Maßnahmen treffen, gerne auch ohne den Sanktus aus Brüssel oder Berlin.
Regierung ist still
Diejenige, der die Gewaltwelle nun in so schriller Manier zur Last gelegt wird, hat sich indes noch gar nicht zu Wort gemeldet. Angela Merkel urlaubt zwar nicht wie geplant in Südtirol, sondern in ihrer Heimat, der Uckermark, Stellung beziehen wird sie aber erst am Donnerstag. Gut möglich, dass die Attentate durch dieses Abwarten zu einer zweiten Zäsur in der Flüchtlings-Debatte führen – nur diesmal könnte Merkel, anders als nach Köln, auch den Zorn der Wähler zu spüren bekommen. In ihrer Heimat Mecklenburg-Vorpommern wird im September gewählt – dort kamen NPD und AfD schon vor den Anschlägen auf 23 Prozent.