Politik/Ausland

David Cameron in der Sackgasse

David Cameron hat sich also wieder einmal herausgespielt. Vor zwei Wochen sah es noch wie eine Demütigung aus, als der britische Premier seinen viel geschmähten Vorgänger Gordon Brown aus der Versenkung holen musste, um den Schotten den Verbleib im Vereinten Königreich als Verheißung eines Neuanfangs zu verkaufen.

Doch schon am Morgen nach der Abstimmung am Donnerstag verbuchte Cameron deren klares Ergebnis als persönlichen Erfolg: "Wir hätten versuchen können, das Referendum zu blockieren. Aber so wie bei anderen großen Themen ist es richtig, die Entscheidung zu treffen, anstatt ihr auszuweichen." Zwischen den Zeilen las sich dieser Satz bereits als Startschuss für den Parlaments-Wahlkampf im kommenden Frühjahr: Schließlich verspricht Cameron seinem Volk auch die Abstimmung über den Verbleib in der EU im Jahr 2017. Wer seine Stimme den erklärten EU-Gegnern der UKIP leihe, so die bereits absehbare Wahlkampflinie, werde damit insgesamt bloß Labour stärken und die EU-Mitgliedschaft erst recht einzementieren.

EU-feindliche Boulevardpresse

In diesem Sinne wird der Premier der europafeindlichen britischen Boulevardpresse bis zu den Unterhauswahlen im kommenden Frühling mit Anti-Brüssel-Rhetorik nach dem Mund reden. Danach hat er noch Bewegungsspielraum bis zum Abstimmungstermin 2017. Entweder es gelingt ihm, sich der Öffentlichkeit in diesen zwei Jahren als erfolgreicher Neuverhandler der britischen Position in der EU darzustellen, oder Großbritannien steuert tatsächlich auf ein Austritts-Szenario – das längst sprichwörtliche "Brexit" – zu. Seine eigene Abstimmungsempfehlung wird er sich bis zum Schluss offenhalten.

In Schottland soll jetzt ein im letzten Moment vor dem Referendum beschlossener Zeitplan anlaufen. Bis zum Jänner 2015 soll ein Entwurf für mehr Selbstbestimmungs-Rechte stehen. Der Lohn für das "Nein" beim Referendum, beschlossen von allen drei Parlamentsparteien. Über das Inkrafttreten wird das Unterhaus dann aber erst nach den Wahlen im Mai abstimmen.

Falls Schottland sich bei diesem Deal von Westminster betrogen fühlt, drohen Gordon Brown, Alistair Darling und mit ihnen Labour-Führer Ed Miliband als Verräter dazustehen, die sich von den Tories einseifen ließen. Die haben bei den Unterhauswahlen in Schottland nur einen einzigen Sitz zu verlieren. Wäre es zu einer Abspaltung gekommen, hätte Restgroßbritannien Cameron das sehr übel genommen. Der Gram der Schotten kann ihm aber wahltechnisch gar nichts anhaben.

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Im Gegensatz zu England, wo Camerons aufgeregte Parteifreunde im Windschatten der Schotten ebenfalls nach Föderalisierung rufen. Den Auftrag zu einem entsprechenden "Settlement" hat ausgerechnet Ex-Außenminister William Hague erhalten. Er trat 1997 als konservativer Parteichef vehement gegen die Schaffung eines schottischen Parlaments ein. Damals warnte er vor Schottland als einem potenziellen "Getto der Hochbesteuerung". Als geborenen Freund regionaler Selbstbestimmung weist ihn das nicht aus. Ein englisches Regionalparlament wird bei diesem Prozess wohl nicht herauskommen, aber vielleicht das Recht englischer Parlamentarier, im Unterhaus über rein englische Angelegenheiten unter Ausschluss schottischer und walisischer Abgeordneter abzustimmen. Labour wird das weit mehr Stimmen kosten als die Konservativen.

Keine Frage, David Cameron hat gewonnen. Großer Stratege ist er deshalb zwar noch lange keiner, seit seinem Amtsantritt 2010 stolpert er von einem Notfall zum nächsten. Aber sein unverschämter Opportunismus macht es ihm immer wieder möglich, sich aus den unmöglichsten Situationen zu befreien. Und das sollte niemand in Europa unterschätzen.

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