Das Gesicht der Populisten
Konservativ, neoliberal, pragmatisch, nüchtern, opportunistisch – das sind Attribute, die dem Spitzenkandidaten der Fünf Sterne-Bewegung (M5S) Luigi Di Maio zugeordnet werden. Der 31-jährige Süditaliener verkörpert das klassische Gesicht der Populisten von Komiker Beppe Grillo. Nun möchte er der nächste Premier Italiens werden. Seine Chancen bei den Parlamentswahlen am 4. März stehen gut, denn in Umfragen liegt das Movimento 5 Stelle derzeit vorne. Der Premierkandidat präsentierte vor wenigen Tagen das 20-Punkte-Wahlprogramm der Gruppierung. Dazu zählen die Streichung von 400 "sinnlosen" Gesetzen, Steuersenkungen und die Abschaffung hoher Politiker-Pensionen. Bei Migration will man verstärkt auf internationale Rückführungsabkommen setzen. Prominenter Name auf der 5-Sterne-Wahlliste ist Kapitän Gregorio De Falco aus Livorno. Seit seinem Einsatz bei der Costa Concordia Havarie, als er Unglückskapitän Schettino energisch befahl auf das Schiff zurückzukehren ("Vada a bordo cazzo"), gilt er als Held.
Rechter Flügel
Di Maio hingegen war bis zu den Parlamentswahlen 2013 völlig unbekannt. Aufgewachsen in Pomigliano d'Arco, einem Vorort von Neapel, hielt er sich mit diversen Jobs, etwa als Platzanweiser im Fußballstadion von Neapel, über Wasser. Er kann keine berufliche Karriere vorweisen. Ein Jus-Studium hat er schnell abgebrochen. Dank Internet-Votum von Fünf-Sterne-Anhängern gelang ihm auch ohne politische Erfahrung der Einzug ins Parlament. Der Sohn aus einem postfaschistischen Elternhaus wird dem rechten Flügel der Bewegung zugeordnet. Vergangenen Sommer hatte er als erster die privaten Flüchtlingsretter im Mittelmeer kritisiert.
Luigi Di Maio repräsentiert einen jungen Politikertypus, der seit 2017 in Europa in den Vordergrund drängt. "Allerdings unterscheidet ihn vieles von Emmanuel Macron oder Sebastian Kurz, auch wenn er mit 31 Jahren gleich alt wie letzterer ist. Die 5-Sterne-Bewegung ist schwierig in das Panorama neuer politischer Tendenzen in Europa einzuordnen", erklärt Politologe Christian Blasberg von der römischen Universität Luiss gegenüber KURIER. Die eurokritische Bewegung agiert populistisch, unterscheidet sich aber durch ihre Internet-basierte Basisdemokratie von herkömmlichen Parteien. Die 5 Sterne sind unberechenbar, unter anderem wegen der Abhängigkeit vom Willen der Internet-Gemeinde. "Es geht der Bewegung vor allem um eine neue politische Ethik in Italien. Innenpolitische Themen wie Korruptionsbekämpfung und Anti-Mafia-Politik stehen also im Vordergrund", betont Blasberg.
Viele sahen Di Maio als Grillos Marionette, dem bisherigen "Übervater und Guru" der Bewegung. Dieser hat jedoch überraschend fünf Wochen vor den Wahlen seinen beliebten Blog von der Protestbewegung losgelöst und einen neuen Webauftritt gestartet. Der Befreiungsschlag des Komikers sieht nach Abschied aus. Grillo scheint die Bewegung längst zu etabliert und normal geworden sein.
Mittlerweile gibt es auch keine Berührungsängste mehr, mit dem "Establishment" zu kooperieren. Eine Koalition mit dem Mitte-Links-Lager von Ex-Premier Renzi galt noch als Hochverrat und die Ablehnung der Politkaste als oberstes M5S-Grundprinzip. Di Maio scheint nicht abgeneigt, mit dem Mitte-Rechts-Lager von Berlusconi eine Koalition zu bilden. "Viele der Wähler aber könnten ihm diese neue Öffnung übelnehmen. Mit einer Koalition würde der M5S zu einer herkömmlichen politischen Kraft werden", betont Blasberg.
Schwiegersohn-Klischee
Die Fünf Sterne, die sich traditionell weder als links noch rechts positionieren, wollen nun auch konservative Wähler erreichen. Di Maio, stets in Anzug und Krawatte, verkörpert das "perfekte Schwiegersohn - Klischee". In einer Rede vor Unternehmern sagte er kürzlich, dass die Bewegung nicht mehr länger "populistisch" sei. Ein Referendum über einen Verbleib Italiens in der Eurozone, eigentlich immer Versprechen der Sterne, ist kein Thema mehr. Lieber erinnert Di Maio bei jeder Gelegenheit, dass Fünf-Sterne-Parlamentarier ihr Gehalt reduzierten. Das kommt immer gut an – besonders bei den unverschämt hohen Politiker-Gehältern in Italien.
Ein paar grobe Fehltritte sorgten für Kopfschütteln. So bezeichnete er Pinochet als Diktator Venezuelas statt Chiles. Weiters sorgte er mit einem rassistischen Kommentar über "kriminelle Rumänen" für Empörung.