Seehofer gegen Merkel: Ehekrise in Weiß-Blau
Von Evelyn Peternel
Beim ersten Auftritt hat Horst Seehofer die Hände vor der Brust verschränkt. Das verheißt nichts Gutes, so viel ist klar, und ein paar Minuten später folgt auch der dazu passende Satz: "Dieses Land ist polarisiert und gespalten."
Wen er dafür verantwortlich macht, das braucht der CSU-Chef nicht mehr extra hinzuzufügen, er erwähnt ihren Namen auch kein einziges Mal. Angela Merkel ist bei der traditionellen Neujahrstagung der CSU zwar erstmals nicht dabei, aber dennoch dreht sich irgendwie alles um sie. Alle Drohungen, die Seehofer hier im malerischen Kloster Seeon ausspricht, gehen an ihre Adresse. Nach der Wahl im Herbst werde seine CSU in die Opposition gehen, wenn sie nicht endlich seine Flüchtlings-Obergrenze akzeptiere. "Sehr ernst" sei es ihm damit, sagt er; das sei "keine Wahlaussage, die nach der Wahl vergessen wird".
Erinnerungen an 1976
Dass diese Ehekrise in blau-weiß an CSU-Übervater Franz Josef Strauß erinnert, ist kein Zufall. Auch er führte die CSU aus der Ehe mit der CDU heraus; drei Wochen dauerte die Trennung 1976, mit der Strauß die Abdankung des damaligen Kanzlerkandidaten Kohl erreichen wollte. Beendet konnte sie werden, weil Kohl als Retourkutsche mit dem "Einmarsch" der CDU in Bayern drohte. Die große Schwester als Konkurrentin in Bayern wollte selbst Strauß nicht.
Die Lage heute ist ein wenig diffiziler als damals. Seehofer will Merkel ja nicht den Rang streitig machen, vielmehr trachtet er danach, bei der Landtagswahl 2018 verlorene Wähler von der AfD zurückzugewinnen. Deshalb hat er auch nicht den letzten Trumpf ausgespielt, sondern ihn nur angedroht – wissend, dass das deutlich boshafter ist. Derzeit hielte eine Koalition ohne CSU im Bund leicht, nach der Wahl wäre das anders. Nimmt man die Prognosen als Basis, wäre eine Mehrheitsfindung für Merkel äußerst schwierig – sie müsste ohne CSU auf ein Dreier-Bündnis ausweichen.
Spitze gegen Bayern
Dass diese Drohungen nicht substanzlos sind, weiß man auch im Kanzleramt. Nur, kommentieren will man sie nicht – da schickt man andere vor. Dass CDU-Innenminister de Maizière just vor der CSU-Klausur eine Beschneidung der Sicherheitskompetenzen der Länder forderte, die für ihre lückenhafte Kommunikation im Fall des Berlin-Attentäters Amri gegeißelt wurden, war eine Spitze gegen die Bayern – sie sind auf ihre Landesbehörden besonders stolz.
Seehofer kontert am Mittwoch prompt. "Das wird niemals kommen", sagt er dramatisch; und seine fast präpotente Reaktion zeigt, wie dürftig Merkels Spielraum ist. De Maizières Idee ist nur schwer umsetzbar, da neben Bayern auch alle anderen Länder sie blockieren dürften. Das wird Merkel ebenso wenig freuen wie der Umstand, dass Seehofer auch jenes Versöhnungstreffen, bei dem sie sich eigentlich aussprechen wollte, als Waffe nutzt. Ob das Treffen im Februar stattfinde, könne er noch nicht sagen, so Seehofer – sinnvoll sei es nur, wenn sich beide Partner einig seien.
So beliebt wie Petry
Weniger schnippisch ist Seehofer nur, als es um eine Wahlumfrage für Bayern geht. 46 Prozent bescheinige die der CSU, frohlockt er. Dass dies just vor der Klausur veröffentlicht wurde, sei "reiner Zufall", sagt er lachend.
Kein Zufall dürfte es sein, dass er eine andere Umfrage nicht erwähnt. Die weist Merkel unter bayerischen CSU-Wählern nämlich deutlich bessere Beliebtheitswerte als ihm selbst aus – sie konnte selbst nach dem Terroranschlag an Vertrauen zulegen. Seehofer hingegen punktete in einem anderen Segment. Er ist unter AfD-Wählern fast so beliebt wie Frauke Petry.