Politik/Ausland

Cameron: "Gemeinsamer Kampf" für reformierte EU

Der britische Premier David Cameron hat die von Brüssel vorgelegten Reformvorschläge, um einen Austritt Großbritanniens aus der EU zu verhindern, vor dem britischen Parlament verteidigt. "Wir haben große Fortschritte gemacht", betonte Cameron, es bleibe aber noch viel Arbeit zu tun. Die Abgeordneten rief er auf, "gemeinsam zu kämpfen", damit das Land in einer reformierten EU bleiben könne.

Zugleich warnte Cameron erneut, sollten die Europäer nicht auf die britischen Forderungen eingehen, könne er "nichts ausschließen". Großbritannien werde niemals dem Euro-Club, Schengen oder einem "europäischen Superstaat" angehören.

Noch kein Datum für Referendum

Auf einen Termin für das geplante Referendum zu Verbleib oder Austritt Großbritanniens wollte sich Cameron nicht festlegen, ließ jedoch durchblicken, dass er den 23. Juni als Datum bevorzuge. Abgeordnete aus Schottland, Wales und Nordirland forderten am Mittwoch erneut, frühestens zum Jahresende abstimmen zu lassen. Sie fürchten, dass das Referendum ansonsten die Regionalwahlen am 5. Mai überschatten könnte.

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Slowakei skeptisch

Die Slowakei gibt sich noch abwartend zum zwischen London und Brüssel vereinbarten Anti-Brexit-Paket. Außenminister Miroslav Lajcak zeigte sich am Mittwoch erfreut, dass die bestehenden EU-Verträge nicht aufgeschnürt werden, machte aber zugleich klar, dass Bratislava keine Diskriminierung seiner Staatsbürger zulassen werde. "Es liegt noch viel Arbeit vor uns", sagte Lajcak.

Zahlreiche Formulierungen des vom britischen Premier David Cameron und dem EU-Ratspräsidenten Donald Tusk ausverhandelten Dokuments seien "noch nicht völlig konkretisiert". Bratislava unterstützt die britische Forderung nach einer größeren Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und habe auch Verständnis für Londons Interesse an mehr nationaler Souveränität.

"Diskriminierung"

"Äußerst heikel" seien dagegen die vorgesehenen Kürzungen von Sozialleistungen für EU-Ausländer in Großbritannien, sagte Lajcak. Es sei zwar verständlich, dass London dem Sozialmissbrauch einen Riegel vorschieben wolle. "Unsere rote Linie, wo wir uns kein Nachgeben vorstellen können, ist die Diskriminierung unserer dort lebender Bürger", betonte der slowakische Außenminister.

Konkret gehe es um Slowaken, die in Großbritannien arbeiteten "und wesentlich mehr zum britischen Wirtschaftssystem beitragen als sie in Form von Sozialleistungen bekommen", sagte Lajcak. "Wenn aber jemand spekuliert und das System missbraucht, ist es volles Recht der britischen Regierung damit Schluss zu machen."

Dies bedeute nicht, dass sich die Slowakei definitiv strikt gegen diesen Punkt der Reformvorschläge stellen will. Alles wird sich erst in weiteren Verhandlungen zeigen, konkretisierte Ressortsprecher Peter Stano auf APA-Nachfrage. Der slowakische Premierminister Robert Fico will die Reformvorschläge von Tusk sowie die slowakische Position zu den britischen Forderungen bereits am Donnerstag während seines Arbeitsbesuches in Großbritannien mit dem britischen Premier Cameron diskutieren.

"Notbremse" nicht exklusiv für London

Der Sprecher von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Margaritis Schinas, erklärte unterdessen in Brüssel, die sogenannte Notbremse, die einem Land die Kappung der Sozialleistungen bei einer Überlastung des nationalen Sozialsystems erlaubt, werde es nicht exklusiv für London geben. Zwar sei das Instrument für die Briten maßgeschneidert worden. Aber sobald eine entsprechende Gesetzgebung erfolge, "ist sie auch für die anderen anwendbar".

Obama: Briten sollen in EU bleiben

US-Präsident Barack Obama setzte sich für einen Verbleib Großbritanniens in der EU ein. In einem Telefongespräch mit Cameron habe Obama am Dienstag die Unterstützung der USA für "ein starkes Vereinigtes Königreich in einer starken EU" bekräftigt, teilte das Weiße Haus mit. Cameron informierte Obama demnach über den Stand der Verhandlungen über die britischen Forderungen nach einer EU-Reform. In Umfragen liegen EU-Anhänger und "Brexit"-Befürworter derzeit Kopf an Kopf.

Der Vorschlag sei "fair" für Großbritannien, aber auch die anderen EU-Staaten, sagte Juncker am Mittwoch vor dem EU-Parlament in Straßburg. Ein Kommissionssprecher stellte klar, dass die umstrittene Kappung von Sozialleistungen für alle EU-Ausländer allen Mitgliedern zustehe.

Der britische Premier David Cameron will seine Landsleute vermutlich im Sommer über den Verbleib in der EU abstimmen lassen. Auf dem EU-Gipfel in zwei Wochen hofft er auf grünes Licht für die mit Brüssel ausgehandelte EU-Reform, die neben der Begrenzung von Sozialleistungen den nationalen Parlamenten eine "rote Karte" in die Hand gibt, um unliebsame Gesetze aus Brüssel stoppen zu können.

Der niederländische Außenminister und amtierende EU-Ratsvorsitzende Bert Koenders zeigte sich am Mittwoch überzeugt, dass aufgrund des Vorschlages von Tusk beim EU-Gipfel am 18./19. Februar eine Einigung mit allen EU-Staaten erzielt werde, wenn dazu der politische Wille bestehe.

Cameron äußerte sich am Mittwoch im britischen Unterhaus zu den Plänen. Von der EU-feindlichen Ukip-Partei wurden seine Errungenschaften ins Lächerliche gezogen. Der Kompromissvorschlag sei "das Warten kaum wert gewesen", sagte Ukip-Chef Nigel Farage. Klar sei, dass die EU-Staats- und Regierungschefs Cameron nicht weiter entgegenkommen würden.

Schulz sieht Diskussionsbedarf

Auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sieht noch viel Diskussionsbedarf. Einige Punkte seien problematisch, etwa dass die britische Regierung als Nicht-Euro-Land ein Vetorecht bei den Maßnahmen der Eurozone verlange, sagte Schulz im ZDF-"Morgenmagazin". "Das wird niemand in der EU akzeptieren können, zumindest nicht Deutschland und Frankreich."

Als weiteres Beispiel nannte Schulz den Plan, Sozialleistungen für EU-Ausländer für bis zu vier Jahre zu beschränken, der in Osteuropa auf Protest trifft. "Das werden die Länder da nicht mitmachen. Das ist noch ein langer Weg."