"Gesichtswahrende Lösung" gesucht
Von Stefan Schocher
Im Windschatten der Olympischen Spiele liegt Hoffnung für eine Lösung der inner-ukrainischen Krise, so die optimistische Aussicht vieler EU-Politiker für die nächsten zwei Wochen. Ein Verhandlungs- und Vermittlungs-Marathon seitens EU-Diplomaten ist die Folge. Kommende Woche werden die EU-Außenminister sowohl über mögliche Sanktionen als auch über ein finanzielles Hilfspaket beraten. EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle wird wieder einmal in die Ukraine reisen.
Der, um den sich alles in der Krise dreht, machte sich derweil auf den Weg nach Sotschi. Am Freitag war ein Treffen zwischen dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch und Russlands Staatschef Wladimir Putin am Rande der Eröffnung der Olympischen Spiele geplant.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlaments, Elmar Brok, sagte am Freitag vor Journalisten in Wien: „Es gibt keine Verlässlichkeit.“ Er spricht den Wankelmut der ukrainischen Führung an. Zusagen würden sich mitunter binnen weniger Stunden in Nichts auflösen. Zuletzt im Parlament beschlossene Rücknahmen drakonischer Versammlungsgesetze nennt Brok aber trotzdem erste wichtige Schritte hin zu einer Entspannung der Lage. Eine „gesichtswahrende Lösung“ für beide Seiten in dem Konflikt, so Brok, wäre eine Rückkehr zur Verfassung von 2004 sowie eine Wahlrechtsreform.
Streit um Verfassung
Vor der Abreise nach Sotschi versicherte Janukowitsch seine prinzipielle Bereitschaft zu einer Verfassungsänderung. Die Regierung jedoch will die Verfassung von Grund auf neu schreiben, die Opposition nicht, weil dadurch zu viel Zeit verloren gehen könnte. Sie will auf ein altes Grundgesetz zurückgreifen und fordert eine Rückkehr zur Verfassung von 2004. Diese sieht eine Teilung der Macht zwischen Premierminister und Präsident vor. Oppositionspolitiker Arseni Jazenjuk legte nach eigenen Worten am Freitag einen Gesetzesentwurf für eine Verfassungsänderung vor.
Während zwischen den Führern der Oppositionsparteien und der Regierung verhandelt wird, verselbstständigt sich jedoch der eigentliche Konflikt. Am Donnerstag explodierte im besetzten Gewerkschaftshaus am Unabhängigkeitsplatz Maidan in der medizinischen Station eine Bombe. Zwei Menschen wurden verletzt, einer davon schwer. Versteckt war der Sprengsatz in einem Paket mit der Aufschrift „Medikamente“. Solche Pakete treffen ständig ein, schließlich funktioniert die gesamte Infrastruktur des Maidan mit seinen medizinischen Versorgungspunkten und Ausspeisungen nur auf Basis von Spenden. Und nach wie vor werden laut Menschenrechtlern 32 Menschen vermisst – das, während in Kiew jede Nacht Autos von Aktivisten in Flammen stehen. Die Polizei erklärte diese Brandserie mit schadhaften Autobatterien und Autoheizungen.