May-Day im Berliner Kanzleramt
Von Evelyn Peternel
Der Leoparden-Look also. Die Frage, welche Schuhe Theresa May, die neue britische Premierministerin, bei ihrem Antrittsbesuch bei Angela Merkel tragen würde, beschäftigte die lange Journalisten-Schlange vor dem Kanzleramt schon vor ihrem Auftritt. Das Katzenmuster, ein Zeichen des Angriffs? Schließlich trug sie auch bei ihrem Amtsantritt dasselbe Schuhwerk – und da war sie durchaus forsch.
Nicht so am Mittwoch. Nach ihrer ersten Unterredung mit Merkel, die deutlich länger dauerte als geplant, gab sich May zahm, begrüßte ihre Amtskollegin gar auf deutsch: "Es freut mich sehr", sagte May da unter viel Lachen. Die Parallelen, die beide Regierungschefinnen verbinden, schienen tatsächlich für Sympathie zu sorgen: Beide kamen erst spät an die Spitze ihrer Partei, sind fast gleich alt, kinderlos und Töchter von Pastoren – und mit zurückhaltenden Männern verheiratet, die sie, so heißt es, gern bekochen.
Nicht Washington oder Paris
Diese Höflichkeiten können allerdings nur schwer darüber hinwegtäuschen, dass für beide viel am Spiel steht – May, die einen Zugang zum Binnenmarkt ohne Zuwanderung durchboxen will, und Merkel, die eine durchaus zwiespältige Aufgabe hat. Sie muss auf der einen Seite die harte Verhandlerin geben, die für eine geeinte EU einsteht – der Brexit-Dominoeffekt geistert noch immer als Drohszenario durch Brüssel und Berlin. Auf der anderen Seite muss sie nationale, vor allem wirtschaftliche Interessen wahren. 2500 deutsche Unternehmen haben Filialen in Großbritannien, 3000 britische Firmen sind in Deutschland; die Autoindustrie exportiert in kein Land mehr als ins Vereinigte Königreich – verprellen will die Britin in Berlin also niemand. Das Finanzministerium erwägt deshalb auch bilaterale Abkommen: Sollte Brüssel dem Wunsch nach einer "privilegierten Partnerschaft" nicht nachkommen, "dann nehmen wir die Sache selbst in die Hand, lösen die Probleme eben zwischen den Regierungen", so die Botschaft Wolfgang Schäubles.
Pragmatikerinnen
May dürfte das durchaus gefallen. Möglich scheint aber, dass sich beide Verhandlerinnen an einem Punkt in die Quere kommen, der sie eint – an ihrem Pragmatismus. "She puts pragmatism ahead of ideology" wird May nämlich ebenso wie Merkel nachgesagt. Das machte die Britin am Mittwoch auch klar. Trotz ein wenig Entgegenkommens – der Ankündigung, dass die Briten auf die Ratspräsidentschaft 2017 verzichten – kam sie Merkels Wunsch, den Austrittsantrag schon in Bälde zu stellen, nicht nach. Ein kleines Zeichen des Angriffs, zumindest.