Politik/Ausland

Brexit: Theresa Mays unmögliche Mission

Die britische Premierministerin Theresa May reist am Dienstag nach der Verschiebung der entscheidenden Abstimmung über das Brexit-Abkommen auf den 21. Jänner nach Den Haag, Berlin und Brüssel. Gleich in der Früh stand ein Treffen mit dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte an, gegen Mittag traf sie auf die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es folgen am Abend EU-Ratspräsident Donald Tusk sowie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Eines haben die führenden EU-Vertreter alle gemein: Neuverhandlungen beim Brexit schließen sie kategorisch aus. "Der Deal, den wir erreicht haben, ist das Beste, was wir bieten können. Das ist der einzige Deal. Es gibt keinen Raum für Neuverhandlungen", betonte EU-Kommissionspräsident Juncker Dienstagfrüh im Europaparlament in Straßburg. Er wird am Abend mit May zusammentreffen. Auch Ratspräsident Tusk schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter, dass man den Deal nicht neu verhandeln werde. Er berief für Donnerstag einen Gipfel der 27 bleibenden EU-Staaten ein.

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"Verzweifelter Versuch"

Eine Absage kommt auch aus Deutschland. Der frühere Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), erklärt am Dienstag im Deutschlandfunk, dass May keine weiteren Zugeständnisse erwarten dürfe. Die Verschiebung der Abstimmung sei ein verzweifelter Versuch eines Befreiungsschlages, der wenig bringen werde.

Ähnlich äußerten sich laut der Nachrichtenagentur AFP mehrere Europaabgeordnete. "Wir werden unsere irischen Freunde nicht im Stich lassen", versicherte der Vorsitzende der liberalen Fraktion, Guy Verhofstadt. Es habe nach mehr als zweieinhalb Jahren Verhandlungen eine Einigung gegeben, betonte der Fraktionschef der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP), der CSU-Politiker Manfred Weber. Nun gebe es einen neuen Versuch der britischen Regierung, den Vertrag nachzuverhandeln. "Wir spielen dieses Spiel nicht mit." Wer einen Klub verlasse, verliere dessen Vorteile. "Diese Erfahrung machen nun die Briten."

Der deutsche Europa-Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, hat vor Beginn des Allgemeinen Rates am Dienstag in Brüssel die britische Regierung aufgefordert, ihre Hausaufgaben in Sachen Brexit zu erledigen. Ihm zufolge kann May von der deutschen Kanzlerin Merkel keine Zusagen erwarten. Bezeichnend ist auch das Statement eines deutschen Regierungssprechers am Montagabend, wonach die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel May "auf Wunsch der britischen Seite" empfangen werde.

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Auch der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz sehe keine Chance für das Aufschnüren des Brexit-Abkommens. "Es wird definitiv keine Nachverhandlung über den Austrittsvertrag geben", sagte er der britischen Zeitung Financial Times. "Der Deal, den wir im Moment haben, ist ein guter und ausgewogener Deal, und ich denke, es liegt im Interesse von uns allen, ein No-Deal-Szenario zu vermeiden."

Für Neuverhandlungen sprach sich unterdessen das Münchner Ifo-Institut aus. "Zahlen des Ifo-Instituts zeigen, dass ein harter Brexit für beide Seiten mit erheblichen Kosten verbunden ist, auch wenn Großbritannien und Nordirland wirtschaftlich stärker verlieren als die anderen 27 EU-Mitglieder", sagt der österreichische Ifo-Forscher Gabriel Felbermayr.

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Backstop-Frage

Als größte Hürde in dem Abkommen erweist sich der Backstop, die Garantie, dass mit dem Brexit keine neuen Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland eingeführt werden sollen. Die Regelung sieht vor, dass Großbritannien als Ganzes so lange in der Europäischen Zollunion bleiben soll, bis das Problem durch ein neues Abkommen gelöst ist. Nordirland muss zudem Regeln des Binnenmarkts einhalten.

Dagegen gebe es tief gehende und weitverbreitete Bedenken, sagte May am Montag im Parlament. Sie glaube weiterhin an das Abkommen. "Und ich glaube, dass in diesem Haus eine Mehrheit dafür gewonnen werden kann, wenn ich die zusätzliche Rückversicherung zur Backstop-Frage bekommen kann", so die Regierungschefin. Sie habe bei ihren Telefonaten mit Amtskollegen aus der EU Signale erhalten, die auf eine Gesprächsbereitschaft hindeuteten.

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