Politik/Ausland

Brexit-Folgen: Merkels "Spardiktat" unter Beschuss

Scheiden tut weh, heißt es so schön.

Für Angela Merkel könnte dieser Spruch dieser Tage im doppelten Sinne zutreffen. Nicht nur der Brexit selbst trifft Deutschland in besonderem Maße, wie sie am Montag sagte – eine "schmerzhafte und bedauerlichen Entscheidung" nannte sie das Votum, mit dem den Deutschen der zweitgrößte Handelspartner nach den USA abhanden kam. Auch die Machtverschiebung, die durch den Abgang David Camerons entsteht, bereitet der deutschen Kanzlerin Sorgen. Mit dem Konservativen verliert sie den größten Unterstützer ihrer Austeritätspolitik – und ist auf eine Achse angewiesen, die schon seit geraumer Zeit Bruchstellen aufweist: Sie muss ihre Sparpolitik gegen den Willen von Rom und Paris verteidigen.

Brüchige Achse

So einig die Vertreter dieser Achse am Montag auch wirkten: Der Konsens, den Merkel mit ihren beiden Amtskollegen Matteo Renzi und Francois Hollande nach ihren Beratungen im Kanzleramt vortragen, ist eher symbolisch. Während Merkels Absicht es war, vor allem die Handlungsbereitschaft der drei größten Länder der EU zu demonstrieren, waren beide Herren mit speziellen Absichten angereist – Merkel im Rahmen eines Gesamtpakets von ihrem Austeritätsdiktum, – das ja nicht nur Griechenland, sondern auch Italien und Frankreich zu schaffen macht – abzubringen.

Vier Themen hatte Hollande, der angesichts der vom Front National angeheizten Frexit-Debatte vor allem innenpolitisch Punkte machen wollte, dafür im Gepäck. Eine bessere Sicherung der EU-Außengrenzen, eine verstärkte Kooperation bei der Terrorbekämpfung und die beschleunigte Harmonisierung der Steuergesetzgebung standen auf seiner Agenda – und ein Konjunkturprogramm.

Vage "Impulse"

Das ist ein alter Wunsch der Südländer – nur stieß man damit bei Merkel bisher immer auf taube Ohren. Bis jetzt, wie es scheint: In ihrer Abschluss-Pressekonferenz sprachen die drei von neuen "Impulsen", die man setzen wolle; man wolle etwas "im Handeln ändern", sagte Merkel. Was genau dies beinhalte, sagte man nicht – man wolle Wachstum und Wirtschaft stärken, mit besonderem Augenmerk auf die Jugend.

Wenig Druck auf London

Vom Zeitplan her, so Hollande, solle dieses Paket bis September vorliegen. Einen ähnlichen Rahmen gab man auch in puncto Austritts-Verhandlungen vor: Merkel, die im Gegensatz zu Brüssel und den EU-Außenministern ja stark auf die Bremse getreten war, bekräftigte nochmals, dass es "nicht um Tage" gehe; dass man warten müsse, bis London den Antrag eingebracht habe.

Etwa bis Herbst soll Berlin den Briten Zeit geben wollen; dann findet auch der nächste EU-Gipfel statt. Bis dahin wollen auch die sozialdemokratischen Spitzen ihr Positions-Papier vorstellen, das seit dem Brexit-Votum durch Berlin und Brüssel geistert: Ihren Vorschlag für ein "Europa der zwei Geschwindigkeiten", bei dem Berlin und Paris den Takt vorgeben.

Hollande soll damit einverstanden sein, Merkel sei skeptisch, heißt es. Ob man bis dahin einen echten Konsens findet? "Wir haben also beschlossen, dass wir uns lieber einig sind", sagte Hollande diplomatisch.