Die EU steht jetzt unter Zugzwang
Von Andreas Schwarz
Das Votum der Briten gegen einen Verbleib in der EU ist ein Erdbeben mit noch völlig ungewissen Folgen – und der Gefahr von noch größeren Nachbeben, für Großbritannien und für Europa .
Die nicht vorhandene Begeisterung für den Kontinent hatte gegen die Austrittsparolen der Brexit-Rufer, hinter denen alles, nur kein Plan steht, am Ende keine Chance. Fakt ist: Die Liebe der Briten für die große europäische Idee war nie groß: Friedensprojekt, Interessensgemeinschaft – nope. Großbritannien hat in seinem Selbstverständnis den großen Krieg gewonnen und sich später vom sich vereinenden Europa die Vorteile geholt. Fakt ist aber auch: Die Alltag gewordenen Vorteile sind inzwischen so mit der EU verschmolzen, dass ein EU-Austritt Großbritannien vorwiegend Nachteile bringen wird. Mehr als ein Abschotten gegen den Zuzug, das Hauptargument der Brexit-Rufer, wettmachen wird. Aber das muss Großbritannien jetzt mit sich selbst ausmachen.
Aber mehr noch ist EU-Europa jetzt unter dramatischem Zugzwang, wenn es einen Dominoeffekt aufhalten will: Es wird sich reformieren müssen, die Kompetenzen für Brüssel und die nationalen und regionalen Parlamente ganz neu ordnen müssen, in wichtigen Belangen schneller agieren müssen. Und zwar sehr schnell. Denn das historische Brexit-Referendum ist wohl nur der Anfang für ähnliche Initiativen anderswo gewesen. Die populistische Abwendung von der EU ist allerorten längst im Gang. Wenn sie nicht reagiert, dann ist das auch der Anfang von ihrem Ende. In der bisher trägen, zu selbstgefälligen Form sowieso.