Brennpunkt Bautzen: Krawalle zwischen Rechtsradikalen und Flüchtlingen
Gebrodelt hat es in Bautzen schon länger. Die Stadt am östlichsten Zipfel Deutschlands erlangte zu Beginn des Jahres traurige Berühmtheit, als ein ehemaliges Hotel, das zur Flüchtlingsunterkunft werden sollte, in Flammen aufging - und so viele Schaulustige den Brand bejubelten, dass die Löscharbeiten gestört wurden.
Am Mittwoch eskalierte die Lage nun endgülig. Am Kornmarkt, mitten im Zentrum der 40.000-Einwohner-Stadt, kam es zu Zusammenstößen von etwa 80 Rechtsradikalen und 20 jungen Asylbewerbern. Steine und Flaschen flogen, die Flüchtlinge wurden bis zu ihrer Unterkunft verfolgt, wo sie von der Polizei in Sicherheit gebracht wurden.
Eine von Rechtsradikalen für Freitag angekündigte Demonstration wurde zwar abgesagt, für Sonntag drohen nun jedoch neue Aktionen, von Selbstjustiz ist die Rede.
Am Donnerstagabend verhinderten die Sicherheitskräfte bei einer Demonstration größere Zusammenstöße zwischen rund 350 Einheimischen - darunter offenkundig erneut etliche Rechtsextreme - und gut zwei Dutzend zumeist angereisten linken Gegendemonstranten.
"Die Probleme in Bautzen und anderen sächsischen Orten zeigen noch einmal, dass Integration kein Selbstläufer ist", sagte der stellvertretende Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) am Freitag. Seit Wochen hätten sich Anwohner und Geschäftsleute am Bautzener Kornmarkt aufgeregt über die unbegleiteten minderjährigen Asylbewerber - von den Behörden kurz UMA bezeichnet.
Aufgeheizte Situation
Laut Polizei sorgten die teils betrunkenen Heranwachsenden immer wieder mit nächtlichem Lärm und Provokationen auch gegen Frauen für Verärgerung. Rechtsextremisten hätten diese aufgeheizte Atmosphäre dann als „ihr Propagandafeld entdeckt, um diese schwierige Situation für ihre Zwecke auszunutzen“, sagt Dulig. „Mir ist völlig egal, wer angefangen hat. Und das spielt auch keine Rolle. Niemand hat das Recht zur Selbstjustiz.“
Sozialarbeiterin Katrin M. aus Bautzen widerspricht Darstellungen, wonach die jungen Männer nur herumlungern würden: „Die gehen ganz normal zur Schule und lernen dort Deutsch. Und wenn sie dann am Nachmittag zurückkommen, gibt es Angebote für sie. Viele machen Sport.“ Aber natürlich würden sie genau wie deutsche Jugendliche bei schönem Wetter durch die Stadt streifen. Und genauso klar sei, dass der eine oder andere ab und zu mal über die Stränge schlägt: „Das ist doch in dieser Altersgruppe völlig normal.“
Nach den Vorfällen auf dem Kornmarkt sei die Verängstigung unter den jungen Männern groß. „Der Großteil von ihnen will momentan die Einrichtung gar nicht mehr verlassen.“ Nach 19.00 Uhr sollten sie das auch gar nicht mehr. In Reaktion auf die Krawalle vom Mittwoch hat die Polizei ihnen nahe gelegt im Haus zu bleiben. Eine Ausgangssperre, wie zwischenzeitlich kolportiert, habe es laut Polizei jedoch nie gegeben.
Und die Rechtsextremen? Die geben sich am Freitag plötzlich konziliant, sagen eine angemeldete Demonstration kurzfristig ab, wollen der Politik die Möglichkeit zum Handeln geben, wie es in der Begründung heißt. „Es ist nun die Aufgabe der Etablierten, Versäumnisse einzuräumen und Missstände zu beseitigen.“
Doch dann folg eine unverhohlene Drohung. „Wir werden künftig keine Gruppierungen von trinkenden, pöbelnden und und aggressiven Asylbewerbern mehr dulden.“
Auch wenn die Demo abgesagt wurde, werden die Anwohner des Kornmarkts wohl erst einmal auf Ruhe warten müssen. Einige Sympathisanten der Rechten treiben die Hetze im Netz weiter. Die Sicherheitsbehörden stellen sich schon auf weitere Einsätze und Überstunden ein. Ein Sprecher kündigt an: „Die Polizei wird im Schwerpunkt in den Abend- und Nachtstunden zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Stadtgebiet spürbar präsent sein.“