Brasilianer stellen korrupten Politikern saftige Quittung aus
Von Tobias Käufer
Das deutliche Ergebnis für den Rechtspopulisten Jair Bolsonaro im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahlen in Brasilien liefert es schwarz auf weiß: Wie groß muss die Wut und die Verzweiflung einer Bevölkerung sein, wenn sie einem homophoben, rassistischen und frauenfeindlichen Kandidaten die Macht überlassen will, der von sich selbst behauptet, von der Wirtschaft keine Ahnung zu haben. Mit rund 46 Prozent schrammte der ehemalige Fallschirmjäger der Armee, der offen mit der Militärdiktatur sympathisiert, an der absoluten Mehrheit vorbei. Pulverisiert: Die moderate Linke und der bürgerliche Konservatismus, die keinerlei Konsequenzen aus den Korruptionsskandalen der Vergangenheit zogen.
Stichwahl in drei Wochen
In drei Wochen trifft Bolsonaro nun in der Stichwahl auf Fernando Haddad, den Kandidaten der linken Arbeiterpartei PT, der auf rund 29 Prozent der Stimmen kam. Nun haben die Brasilianer Zeit, sich noch einmal Gedanken zu machen, ob sie wirklich einem Politiker und mit ihm einer ganzen Familie die Macht anvertrauen, der offen demokratische Grundwerte verachtet.
Herausforderer Haddad wird seine Taktik ändern müssen. Denn noch etwas zeigt das Ergebnis vom Sonntag. Brasiliens ehemalige Präsidentin Dilma Rousseff, die dafür steht, das inzwischen legendär-berüchtigte Korruptionssystem mit den Konzernen Petrobras und Odebrecht während ihrer Regierungszeit von 2010 bis 2016 verleugnet zu haben, wurde vom Wähler in die politische Bedeutungslosigkeit geschickt. Die Linkspolitikerin – wie Haddad von der PT - schaffte es nicht in den Senat und verhagelte ihr Comeback.
Wut- und Frustwähler
Haddad muss einerseits eine glaubwürdige Aufarbeitung des Korruptionsskandals in den eigenen Reihen starten, um bei den Wählern Vertrauen zurückzugewinnen, und er muss andererseits die Protestwähler von Bolsonaro überzeugen, die aus reinem Frust ihre Stimme abgaben. Und er muss sich von den Kräften innerhalb seines politischen Lagers distanzieren, die ihrerseits mit den brutalen Linksdiktaturen wie jener in Venezuela sympathisieren.
Und er muss auch ein hausgemachtes Problem angehen: Weil der wegen passiver Korruption inhaftierte, populäre Ex-Präsident Lula da Silva zu lange an seiner Kandidatur für die PT festhielt, die ihm die Justiz verweigerte, muss Haddad als ehemaliger Bürgermeister von Sao Paulo nun in Rekordzeit auch in den anderen Landesteilen bekannt und akzeptiert werden. Ansonsten droht Brasilien eine rechte Revolution, die zu einem Desaster für die brasilianische Demokratie werden kann und deren Auswirkungen noch gar nicht abzusehen sind.