Barbusiger Protest gegen Berlusconi
Die Stimmabgabe von Silvio Berlusconi bei der zweitägigen Parlamentswahl in Italien verlief turbulent: Im Wahllokal warteten drei Frauen auf ihn, die mit einer provokanten Oben-ohne-Aktion im Stil der ukrainischen Aktivistinnen von Femen gegen den Medienzaren protestierten. Sie wurden von der Polizei mit Jacken bedeckt und in Handschellen abgeführt. Auf dem Rücken trugen die drei Frauen den Slogan "Basta Berlusconi".
Ansonsten verlief der Andrang an die Urnen zunächst gedämpft. Bis zum frühen Nachmittag gaben offiziellen Angaben zufolge nur knapp 15 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, 1,5 Prozent weniger als bei den letzten Parlamentswahlen vor fünf Jahren. Die Wahllokale schließen am Sonntagabend um 22.00 Uhr, am Montag wird die Abstimmung von 07.00 bis 15.00 Uhr fortgesetzt. Erste Ergebnisse werden für Montagnachmittag erwartet.
Vier Pole
Zum ersten Mal seit 1994 könnte ein Polit-System mit vier Polen (siehe unten) aus dem Urnengang hervorgehen. In den letzten Umfragen vor den Wahlen führte die Demokratische Partei (PD) mit ihrem Spitzenkandidaten Pier Luigi Bersani. Dieser könnte dann ein Bündnis mit der Zentrums-Bewegung des amtierenden Ministerpräsidenten Mario Monti bilden. Auf die Rückkehr an die Macht hofft der langjährige Regierungschef Silvio Berlusconi, der eine Rückerstattung von Steuern und die Anhebung von Kleinstpensionen versprochen hat.
Eigentlicher Sieger könnte jedoch die Protestbewegung des Komikers Beppe Grillo werden. Die Gruppierung könnte zur zweitstärksten Einzelpartei im neuen Parlament avancieren. Das könnte stabile Mehrheitsverhältnisse erschweren. Erschweren könnten eine Regierungsbildung aber auch unterschiedliche Mehrheiten in den beiden Parlamentskammern.
Bangen in Brüssel
Die EU blickt genau auf die Abstimmung in Italien. Brüssel sowie die Finanzmärkte befürchten, dass bei einem Wahlsieg Berlusconis die Schuldenkrise wieder aufflammen könnte (mehr dazu hier).
Der Urnengang wurde am Sonntagvormittag von starken Schneefällen in Norditalien überschattet. In breiten Teilen der Lombardei, der Regionen Veneto und Emilia Romagna mit der Hauptstadt Bologna schneite es heftig.
Die Parlamentswahlen am 24. und 25.Februar sind ein Test für die italienische Zivilgesellschaft und weniger für die Politiker“, findet RAI-Journalist Giovanni Floris. Fünf Millionen Italiener entscheiden im letzten Moment, wem sie ihre Stimme geben. Umfragewerte weichen daher oft stark vom Endergebnis ab.
Der Chef der Demokratischen Partei (PD), Pier Luigi Bersani, geht mit seinem Mitte-links-Blocks als Favorit ins Rennen. Bersani steht für „Italia Giusta“, ein „gerechtes Italien“, und setzt sich für einen sozial ausgewogenen Reform- und Sparkurs sowie verstärkten Arbeitnehmerschutz und eine deutlich humanere Immigrationspolitik ein.
„Nach dem Schaden, den die Rechten angerichtet hat, ich denke etwa an die Abschiebung von Flüchtlingen aufs offene Meer, ist es Zeit für eine Wende“, erklärte Bersani. Vor allem die Lega Nord hätte alle Einwanderer als potenzielle Kriminelle behandelt und zu rechtlosen Sündenböcken abgestempelt.
Medien-Wahlkampf
Stärkster Herausforderer ist die Mitte-rechts-Allianz um Ex-Premier Silvio Berlusconi – dazu gehören die Partei „Volk der Freiheit“ (PdL), die rechtspopulistische Lega Nord, die von PdL-Abtrünnigen gegründete Mitte-rechts-Fraktion „Fratelli d'Italia“ (Brüder Italiens) sowie „La Destra“. Laut Umfragen könnte es das Berlusconi-Bündnis auf den zweiten Platz schaffen. Einige seiner Allianz spekulieren gar mit Platz eins. Medienprofi Berlusconi ließ keine TV- oder Radio-Show aus. Er ging mit Anti-EU-Attacken und unrealisierbaren Versprechen, wie die Rückzahlung der umstrittenen Immobiliensteuer, auf Stimmenfang. Zur Not werde er die vier Milliarden Euro aus der eigenen Tasche bezahlen, sagte er.
Der scheidende Premier Mario Monti tritt als Vertreter eines Zentrumsblocks, zu dem seine Wahlliste „Mit Monti für Italien“ sowie die christdemokratische Partei von Pierferdinando Casini und die Rechtspartei von Gianfranco Fini zählen. Der Mailänder Wirtschaftsprofessor Monti will seinen Sparkurs zur Rettung Italiens fortsetzen. In Wahlkampflaune hat er sogar partielle Steuersenkungen versprochen. Bis zuletzt hielt er sich die Option offen, eine Allianz mit Bersani einzugehen.
"Fünf-Sterne-Komiker"
Der große Unsicherheitsfaktor dieser Wahl ist die Fünf- Sterne-Protestbewegung von Beppe Grillo. Diese hat großen Zulauf im Lager der Politik-Enttäuschten und der jungen Leute. Der Komiker wurde lange Zeit als Polit-Clown unterschätzt und könnte laut Umfragen sogar als zweitstärkste Einzelpartei ins Parlament einziehen.
Grillo mobilisierte auf seiner „Tsunami“-Wahlkampftour via Blog, Facebook und Twitter die italienischen Massen, tourte im Camper quer durch ganz Italien und füllte die Piazze mühelos.