Politik/Ausland

Auch der Propagandakrieg wütet

Eine Fotomontage, die den Big Ben unter massivem Raketenbeschuss zeigt. Geschosse gehen in der umliegenden Gegend in Großbritanniens Hauptstadt nieder. "Was würdest Du tun?" steht in großen Lettern auf der am Computer entstandenen Illustration. Es ist klar, dass sich dieser Tweet der israelischen Armee (Israel Defense Forces, IDF) auch an die Menschen Europa richtet, um die eigene Sicht der Dinge darzustellen.

Andere Adressaten sind wohl gemeint, wenn die IDF in einer anderen Mitteilung schreiben: "Wir verwenden Waffen, um israelische Zivilisten zu schützen. Die Hamas benutzt die Zivilisten in Gaza, um ihre Waffen zu schützen". Dabei ein Piktogramm, das die beiden Seiten zeigen soll - das israelische Abwehrsystem "Iron Dome" und eine Hamas-Rakete, die auf Menschen zeigt (siehe Bild oben).

Der neue Gaza-Konflikt ist auch ein Krieg der Bilder; wie in den meisten Konflikten der Erde in den letzten Jahren wird auch er vermehrt im Netz ausgetragen. Israel ist dabei in den vergangenen Jahren zum Social Media-Riesen gewachsen: Die Professionalität der IDF, die Netzwerke zu nutzen, dürfte für eine Armee einzigartig sein. Facebook, Youtube, Instagram, Twitter - kaum eine Plattform wird ausgelassen, um die öffentliche Meinung für sich zu gewinnen - in mehreren Sprachen, versteht sich. Das Militär verwendet etwa die Kurznachrichtenplattform Twitter als Drehscheibe von Neuigkeiten, Warnungen und Propaganda. Rund dreißig Tweets setzen die IDF am Tag ab.

Twitter-Krieg

Der bewaffnete Arm der Hamas, die Al Kassam Brigaden, steht ihnen um nichts nach, hat jedoch scheinbar weniger Ressourcen. Teilweise direkte Antworten - ein Novum - zwischen den Feinden machen die Sozialen Medien zum Austragungsort eines Propagandakriegs, den jeder Mensch auf der Welt zeitgleich beobachten kann. Im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie wird auch gerne mit Grafiken und Videos gearbeitet - stets mit ideologischem Einschlag.

Die israelische Armee gibt hier Auskunft über die Anzahl der Raketen aus dem Gazastreifen, über die Erfolgsquote des Iron Dome, und über die Opfer auf beiden Seiten.

Die Gegner werden konstant als "Terroristen" bezeichnet, die die Palästinenser für eine blutigen islamistischen Krieg instrumentalisieren.

Was für die einen Terroristen, sind für die anderen "Märtyrer". Auf den Seiten der Hamas werden die Aktionen der Armee als Massaker bezeichnet und stolz die Entführung eines israelischen Soldaten gefeiert.

Auch die Rechtfertigung der Angriffe durch Religion ist gegenwärtig: "Nicht du warst es; es war Allah, der sie getötet hat ~ Koran 8:17" steht in einer englischen Mitteilung der Al Kassam Brigaden.

In den Augen der Hamas sind die Israelis gnadenlose Schlächter, die die Zivilbevölkerung im Visier haben. Ein veröffentlichtes Video zeigt ein zehnjähriges Mädchen aus Gaza, das einen Appell an Jerusalem richtet: "Ich bin noch am Leben, ich bin keine Terroristin, also tötet mich nicht. Gebt mir die Chance, am Leben zu bleiben".

Wie oder wann der jüngste Gaza-Konflikt enden wird, ist heute noch unklar. Der britische Independent urteilt, Israel gewinne zwar die Militärkampagne, verliere aber den Propaganda-Krieg - allein schon weil der Blutzoll auf der Seite der Palästinenser ungleich höher ist. Das dürfte auch in Jerusalem Thema sein; die Schlacht im Netz ist Chefsache. Die Regierung hat - wohl um ihr Image im Ausland zu verbessern - Studierende an den sieben Universitäten des Landes beauftragt, systematisch parteiische Tweets und Facebook-Posts zu veröffentlichen. Im Gegenzug erhalten sie Stipendien oder andere Bevorzugungen. Auf Twitter haben sie jedenfalls den Wettbewerb um die meisten Follower gewonnen: Derzeit sind es 331.000. Die Kassam Brigaden hingegen haben nur etwas über 5.000. Der große Unterschied aber ist leicht zu erklären: Der erste Account wurde am 19. Juli zugedreht - ein neuer musste angelegt werden.