Politik/Ausland

Ein "extremer Geist", der vom IS beeinflusst war

"Wir wollen friedlich leben" und "Meine Religion heißt Liebe", steht auf den Schildern der Flüchtlinge, die am Mittwoch in Ansbach auf die Straße gehen. Sie wollen sich distanzieren, wollen sich lossagen von Mohammad D., jenem Mann, der sich am Sonntag in der Kleinstadt selbst in die Luft sprengte und dabei 15 Menschen verletzte.

Tat er das auf Befehl? Die Antwort darauf ist noch immer nicht klar. Die Spuren, die der 27-Jährige hinterließ, deuten allerdings darauf hin – da gibt es das Video, in dem er mit schwarzem Tuch vor dem Gesicht dem IS-Kalifen die Treue schwört und sagt, "eine Märtyreroperation in Ansbach, Bayern" durchführen zu wollen; dazu die Rolle 50-Euro-Scheine, die bei ihm gefunden wurde; und zu guter Letzt jenen Unbekannten, mit dem er vor der Tat "intensiven Kontakt" hatte und der "maßgeblich auf dieses Attentatsgeschehen Einfluss genommen" habe, wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann mitteilte. Die beiden hätten bis kurz vor der Zündung kommuniziert: "Der Chat endet unmittelbar vor dem Attentat."

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Ob der Unbekannte aus den Reihen des IS stammt, wollte und konnte Herrmann noch nicht bestätigen. Passen würde das aber, vor allem zur Vorgeschichte, die Muhammad D. hat: Der 27-Jährige passt genau ins Rekrutierungsprofil des IS; ein Syrer, der schwer traumatisiert aus Aleppo geflohen war, wo er Frau und Kind verloren hatte; der gefoltert, psychisch und physisch misshandelt und "Zeuge von Tötungen anderer, Ohrenzeuge von Folter anderer Gefangener" geworden war, wie ein Gutachten des Therapiezentrums "Exilio" bescheinigt, das bereits 2015 erstellt worden war.

Bis Jänner 2016 war er dort in Behandlung, nachdem er über Bulgarien geflohen war. Dass er nun dorthin hätte abgeschoben werden sollen, dürfte der letzte Auslöser für die Tat gewesen sein – das scheint auch nach dem Gutachter plausibel. Der sprach bereits vor mehr als einem Jahr damals davon, dass D. "ein extremer Geist" sei und es ihm durchaus zuzutrauen sei, dass er seinen "Selbstmord spektakulär in Szene setzt", zitiert die Bildzeitung aus dem Bericht. Zwei Suizidversuche habe er zuvor schon unternommen, einmal sei er auf dem Weg zum Ausländeramt mit eine Flasche Benzin angetroffen worden.

Märtyrer-Nachruf

Die Tat am Sonntagabend war allerdings weit weniger dilettantisch geplant. Zwar ist laut Herrmann nicht klar, ob es tatsächlich "von ihm beabsichtigt war, in dieser Minute die Bombe zu zünden", die Bombe selbst und Material auf seinem Computer weisen aber auf radikale Helfer hin.

Das behauptet auch der IS, der in seinem Propagandamagazin al-Nabaa einen Nachruf auf D. veröffentlicht hat, in dem er zum Märtyrer stilisiert wird. Darin heißt es, er habe bereits 2013 im Irak und in Syrien für den IS gekämpft, sei dabei von Granaten verwundet worden und dann nach Europa gegangen – die Verletzungen, die da beschrieben wurden, hatte er tatsächlich.

Möglich scheint auch, dass er erst auf seiner Flucht vom IS angeworben wurde. Die Süddeutsche berichtet von einem Unbekannten, der ihm in Sofia den Flug von Bulgarien, wo er inhaftiert war und medizinisch nicht behandelt wurde, die Reise nach Österreich und weiter nach Deutschland finanziert haben soll.

In Ansbach, wo er zuletzt landete, kam er dann erstmals in psychologische Behandlung. Auch am Montag hätte er dafür einen Termin gehabt – den verschob er kurzerhand, bevor er sich selbst in die Luft sprengte.