Politik/Ausland

Merkel in Indien: Gute Mission, schlechter Zeitpunkt

Das Glück ist Angela Merkel derzeit nicht gerade hold. Just am Abflugtag streikte der Airbus, der die deutsche Kanzlerin am Sonntag mit vier Ministern und 20 Firmenchefs nach Delhi hätte befördern sollen. Die Ersatzmaschine, ein Truppentransporter, hielt für sie dann nur die "Holzklasse" bereit – ein ungemütlicher Flug, und das zu einer ungemütlichen Zeit.

Merkels Stand in Berlin ist derzeit nämlich kein leichter. Zum einen sorgen Berichte für Unruhe, dass die Behörden heuer nicht mit 800.000, sondern mit 1,5 Millionen Flüchtlingen rechnen. Und zum anderen sorgt diese Unruhe dafür, dass Merkel in der Flüchtlingsfrage zunehmend isoliert dasteht: Nach der CSU und einigen Kritikern aus der CDU rüttelt nun auch der Koalitionspartner an der Willkommenslinie der Kanzlerin. SPD-Vizekanzler Sigmar Gabriel stellte Merkels Diktum, dass es keine Obergrenze für Schutzsuchende geben soll, offen infrage – zumindest 2016 brauche es eine solche, forderte er. Und auch CDU-Finanzminister Schäuble gestand am Sonntag ein, dass es eine Begrenzung brauche – zumindest auf EU-Ebene, sagte er.

Afghanistan im Fokus

Entflieht die Kanzlerin der Debatte? Nur vordergründig, muss man sagen. Denn nach Indien reist sie zwar ohne Gabriel und Schäuble, jedoch in einer Mission, die durchaus mit der Asylproblematik zu tun hat. Mit dem erst 2014 gewählten Premier Narendra Modi bespricht Merkel auch die heftige Migrationsbewegung von Afghanistan aus, hieß es im Vorfeld aus Regierungskreisen: Indien ist einer der stärksten Einflussfaktoren am Hindukusch – und Berlin setzt auf dessen stabilisierende Rolle. Derzeit verlassen bis zu 100.000 Menschen monatlich das krisengebeutelte Land; und viele davon haben Deutschland zum Ziel.

Merkel sucht in Modi aber auch einen Verbündeten in anderen Fragen. Im Dezember steht in Paris der Weltklimagipfel am Programm – und bei dem würde die deutsche Kanzlerin gern ihre selbstgewählte Rolle als Klimakanzlerin verfestigen. Dafür braucht sie prominente Fürsprecher. In Brasilien konnte sie für ihre Pläne zur CO2-Senkung schon Präsidentin Dilma Rousseff gewinnen, der im Gegenzug dafür ein Freihandelsabkommen in Aussicht gestellt wurde; nun soll sich auch Indiens Premier Modi in die Liste der Klimaschutz-Unterstützer reihen. Ein Signal dafür hat er schon gesetzt: Modi hat kurz vor Merkels Besuch erklärt, den Treibhausgas-Ausstoß Indiens bis 2030 um 35 Prozent reduzieren zu wollen.

Erleichterung für VW

Auch das 1,2-Milliarden-Einwohner Land soll in naher Zukunft von einem Freihandelsabkommen mit Europa profitieren – und umgekehrt, versteht sich. Die Verhandlungen wurden vor der Wahl Modis auf Eis gelegt, jetzt will man die damaligen Knackpunkte – billige Generika, die die EU nicht anerkennen will, sowie Zollfragen – wieder in den Fokus rücken. Geht es nach Berlin, sollen vor allem Zölle auf Autos signifikant sinken – dies wäre ein großer Vorteil für die deutschen Autobauer, allen voran für VW.

Ende Oktober will Merkel übrigens in Peking ähnliche Themen besprechen – allein, die Flüchtlingsfrage wird sie dort nicht debattieren. Die erwartet sie aber ohnehin früh genug in Berlin.