Politik/Ausland

Amnesty schlägt Alarm: Heuer mehr als 1000 Hinrichtungen im Iran

Mit der Einigung im Atom-Streit ist der Iran nach Jahrzehnten als internationaler Paria-Staat auf die Weltbühne zurückgekehrt. Verbunden mit der Hoffnung des Westens, Teheran nicht nur vom Bau der Atombombe abzuhalten, sondern auch als stabilen Partner im Nahen Osten zu gewinnen. Auch wenn US-Präsident Barack Obama seine eigene Freude über den Pakt vergangene Woche dämpfte: "Auch mit diesem Deal werden wir grundlegende Differenzen mit dem Iran haben", sagte er und nannte unter anderem Verstöße gegen die Menschenrechte.

Die Todesstrafe nannte er dabei nicht, zumal die ja auch in den USA exekutiert wird. Aber beim Hinrichten von Menschen schlägt der Iran in der Tat zurzeit alle Rekorde: Fast 700 Menschen sind laut "Amnesty International" im Iran seit Jahresbeginn exekutiert worden, heißt es in einem jüngsten Bericht, rund 450 mehr, als von den Behörden in Teheran offiziell zugegeben. Und jetzt schon so viel, wie im gesamten Jahr 2014. Da hatte Teheran laut "Amnesty"-Jahresbericht 289 Hinrichtungen bestätigt, mindestens weitere 450 wurden vermutet.

"Staatsmaschinerie"

"Die gewaltige Zahl der Exekutionen im ersten halben Jahr im Iran zeichnet ein finsteres Bild der Staatsmaschinerie, die vorsätzliches, juristisch sanktioniertes Töten auf Massenbasis betreibt", sagte Said Boumedouha, stellvertretender Direktor von "Amnesty" für Nahost und Nordafrika, laut dem britischen Guardian. Wenn die Tendenz mit einem Schnitt von drei Hinrichtungen pro Tag anhalte, werde es im heurigen Jahr mehr als 1000 Exekutionen im Iran geben.

Die Anwendung der Todesstrafe sei immer schrecklich, aber im Falle des Iran umso mehr, als Verfahren offensichtlich und unverblümt unfair seien, so Boumedouha. Die meisten Todesstrafen werden im Iran wegen Drogen-Delikten, Ehebruchs, Sodomie und "unklar beschriebener Verstöße gegen die nationale Sicherheit" verhängt und exekutiert, wie ein UN-Bericht erst im Frühjahr festgestellt hat. Sogar im heiligen Fastenmonat Ramadan, in dem Exekutionen für gewöhnlich suspendiert werden, hat es laut "Amnesty" heuer vier Vollstreckungen gegeben.

Der dramatische Anstieg bei der Zahl der Hinrichtungen im Iran läuft der internationalen Entwicklung zuwider. Zwar wurden im vergangenen Jahr weltweit um 28 Prozent mehr Todesurteile verhängt als im Jahr davor (was vor allem auf Massenverurteilungen in Ägypten zurückgeht), aber die Zahl der tatsächlich ausgeführten Todesurteile sank um 22 Prozent. Unrühmlicher Spitzenreiter war China mit mehr als 600 Exekutionen, "Amnesty" geht aber davon aus, dass in China jedes Jahr Tausende Delinquenten hingerichtet werden. Gleich hinter China kommt der Iran.