Blutige Befreiung: Algerien verteidigt Vorgehen
Der Einsatz ist die Antwort auf eine Entscheidung der Terroristen gewesen, alle Geiseln zu töten und ein wahres Massaker anzurichten", zitierte die Tageszeitung "El-Khabar" einen algerischen Armeesprecher. Damit verteidigt Algerien sein umstrittenes Vorgehen im Geiseldrama in der Wüste. Das Geiseldrama war am Samstag mit der Erstürmung der Gasanlage bei In Amenas im Osten des Landes blutig zu Ende gegangen.
Wie am Sonntag bekannt wurde, dürfte es 25 weitere Opfer geben. Sie wurden bei er Durchsuchung des Geländes gefunden.
Nach der bisherigen Bilanz der algerischen Regierung starben bei Geiselnahme und Befreiung 23 Geiseln. 32 Terroristen seien getötet worden. Mit den nun gefundenen Opfern würde sich die Zahl der Toten auf insgesamt 80 erhöhen. Befreit wurden während des mehrtägigen Geiseldramas 685 algerische Beschäftigte und 107 ausländische Mitarbeiter.
Cameron bangt um fünf Briten
Der britische Premierminister David Cameron sagte, er bange um das Leben von fünf Briten, über deren Verbleib bisher nichts bekannt sei. Der Chef des norwegischen Energiekonzerns Statoil, Helge Lund, sagte, fünf seiner Mitarbeiter in Algerien - allesamt Norweger - würden noch vermisst. Man richte sich auf "schlechte Nachrichten" in den kommenden Tagen ein. "Menschen, mit denen wir gesprochen haben, beschreiben unglaubliche, schreckliche Erlebnisse."
Islamisten, offenbar mit Verbindungen zur radikal-islamischen El-Kaida, hatten die Anlage mitten in der Wüste Mittwoch früh gestürmt. Sie forderten ein Ende der französischen Militärintervention in Mali. Einen Tag später griff die algerische Armee ein, doch erst am Samstag konnte sie die Geiselnehmer offenbar endgültig überwinden. Die amtliche Nachrichtenagentur Algeriens meldete, die Soldaten hätten ihren Entscheidungsschlag gestartet, nachdem die Extremisten sieben weitere ausländische Geiseln getötet hätten.
Sprengfallen
Der britische Außenminister William Hague bestätigte, dass der algerische Militäreinsatz zur Befreiung der Geiseln beendet sei. Die Lage rund um das Gasfeld In Amenas blieb aber unübersichtlich. Nach Angaben des staatlichen algerischen Energiekonzerns Sonatrach, der die Anlage gemeinsam mit Statoil und der britischen BP betreibt, hatten die Extremisten auf dem Gelände Sprengfallen verlegt. Soldaten seien dabei, diese zu räumen.
Für ihr gewaltsames Vorgehen, das international offenbar nicht im Detail abgestimmt war, erntete Algerien Kritik aus mehreren Ländern, darunter Großbritannien und Japan. Frankreichs Präsident Francois Hollande äußerte jedoch Verständnis, da die Islamisten bereit gewesen seien, Geiseln zu töten. "So, wie ich das sehe, war Algeriens Ansatz der angemessenste, denn es konnte keine Verhandlungen geben."
Obama: "Schuld liegt allein bei Terroristen"
US-Präsident Barack Obama machte die islamistischen Geiselnehmer für das Blutvergießen verantwortlich. "Die Schuld an dieser Tragödie liegt bei den Terroristen, die sie verursacht haben", hieß es in einer schriftlichen Erklärung in Washington. Die Vereinigten Staaten verurteilten die Aktionen der Angreifer in der schärfsten Form. Obama sicherte Algerien Unterstützung zu. Die USA seien bereit, jede denkbare Hilfe zu leisten. Der US-Präsident erklärte, die Regierung in Washington werde weiter eng mit ihren Partnern zusammenarbeiten, um die "Geißel des Terrorismus" in der Region zu bekämpfen.
Die Anlage In Amenas im Osten Algeriens war am Mittwoch von schwer bewaffneten Islamisten besetzt worden. Am Donnerstag griff das Militär erstmals an. Beim Sturm am Samstag wurden nach einem Bericht der algerischen Nachrichtenagentur APS alle verbliebenen elf Terroristen getötet.
„Das Warten auf eine Nachricht war die Hölle“, erzählt Friedrich Z. aus Zwettl im Gespräch mit dem KURIER. Die Ungewissheit, ob sein 36-jähriger Sohn Christoph Z. noch am Leben ist oder nicht, sei unerträglich gewesen.
Mehr als 24 Stunden hatten die Eltern der österreichischen Geisel in Algerien keine ruhige Minute. „Erst als der Anruf kam und klar war, dass unser Sohn in Sicherheit ist, war das Gefühl unbeschreiblich. Wir sind überglücklich und erleichtert“, sagt der Vater. Christoph Z., der als Ingenieur für den britischen Ölmulti BP ein Erdgasprojekt in Algerien betreute, konnte sich Freitagmittag aus den Zwängen der Geiselnehmer in der algerischen Wüste befreien. Jetzt freuen sich die Eltern des 36-jährigen Niederösterreichers auf ein Wiedersehen und auf den lang ersehnten Moment, ihren Sohn wieder in die Hände schließen zu können.
Blutiges Ende
Der Niederösterreicher hatte Glück: Als am Samstag die algerische Armee den „letzten“ Sturmangriff auf die Gasförderanlage startete, war er schon auf der US-Basis Ramstein in Deutschland, um in der Folge nach Wien weiterzureisen.