Interview: "Sind Produzent – aber auch Opfer"
Von Stefan Schocher
Laut dem am Freitag vorgestellten UN-Drogenbericht hat der Anbau von Schlafmohn – Rohstoff für Heroin – 2014 den höchsten Stand seit 1930 erreicht. Hauptanbauland: Afghanistan – das zugleich aber auch eine der weltweit höchsten Raten an Drogenkonsumenten hat. Laut dem Bericht stieg 2014 zwar weltweit der Missbrauch von Designerdrogen, Heroin blieb aber eine der verbreitetsten harten Drogen.
Salamat Azimi ist Afghanistans Ministerin, zuständig für Drogenbekämpfung – ein Ressort, dass sowohl den Kampf gegen Drogenproduktion als auch Drogenkonsum umfasst. Ein sensibler wie gefährlicher Posten. Sie ist eine von vier Frauen im Kabinett. Der KURIER traf sie zum Interview.
KURIER: Wir wichtig ist es, dass Frauen in der Regierung vertreten sind?
Salamat Azimi: Laut Verfassung sind alle Menschen, Frauen und Männer, gleich – und das Faktum, dass Frauen sehr viel zu einer Gesellschaft beitragen können, bedingt auch, dass sie in der Regierung vertreten sein müssen. Wir haben Frauen in der Regierung, im Parlament, im Höchstgericht. Und das wichtigste: Sie haben in den vergangenen Jahren in ihren Tätigkeiten Erwartungen der Öffentlichkeit übertroffen.
Der Kampf gegen den Drogenanbau stagniert. Wieso? Es handelt sich dabei nicht nur um ein afghanisches Problem, es ist ein regionales, ein internationales Problem – Nachfrage besteht vor allem außerhalb Afghanistans. Und es gibt einen klaren Link zwischen Unsicherheit und Produktion. Aufständische profitieren vom Anbau. Es gibt aber auch einen Link zwischen Nachfrage und Produktion. Wir müssen die Nachfrage reduzieren – und wir müssen afghanischen Bauern Alternativen zum Mohnanbau bieten. Und ihnen vor allem auch Zugang zu Märkten öffnen.
Afghanistan hat dabei selbst ein massives Konsum-Problem – wie wirkt sich das aus?
Wir haben ein Drogenproblem, das stimmt. Es gibt ganz klare Gründe dafür: Arbeitslosigkeit, Armut, Unsicherheit, leichte Verfügbarkeit. Laut Studien haben wir 3 Mio. Abhängige (bei knapp 30 Mio. Einwohner, Anm.). 50 Prozent davon brauchen dringend Hilfe – also wir brauchen für 1,5 Mio. Menschen Betreuungsplätze. Wir haben aber die Kapazitäten nicht. Wir brauchen Hilfe von unseren internationalen Partnern.
Diese Partner ziehen sich aber derzeit eher zurück aus Afghanistan – wie gefährlich ist das? Es wurden viele Zusagen gemacht – auch was Drogenbekämpfung angeht. Gerade bei diesem Thema muss Verantwortung geteilt und international kooperiert werden. Es ist ein globales Problem. Afghanistan ist Produzent – aber auch Opfer. Und der Anbau ist für Produzenten letztlich oft eine ganz einfache Frage des Überlebens.
Sie haben den Link zwischen Opiumanbau und Extremismus angesprochen. Angesichts der Ausbreitung des Islamischen Staates auch in Afghanistan: Welche Rolle spielt er dabei?
Viele Gruppen profitieren vom Drogenanbau. Es ist kein Zufall, dass jene Regionen, die am unsichersten sind, auch die größten Produzenten sind. Der Islamische Staat versucht sein Einflussgebiet auszuweiten, aber unsere Sicherheitskräfte sind bereit, sich dem zu stellen.