Wiederholung des Referendums gefordert
Von Stefan Schocher
Die erste Runde ist geschlagen – und in den Reihen der Opposition herrscht Katerstimmung. Staatliche wie private Medien in Ägypten berichteten am Sonntag von einer Mehrheit für den von Muslimbrüdern und Salafisten erarbeiteten Verfassungsentwurf in der ersten Abstimmung am Samstag. Die fand allerdings in den großen Städten wie Kairo und Alexandria statt, wo die Gegner von Präsident Mursi weitaus breitere Unterstützung haben als in ländlichen Gebieten, wo kommenden Samstag abgestimmt werden wird. Dort dürfte das Votum über das Grundgesetz erst recht zum Heimspiel für die Muslimbrüder werden.
Laut der staatlichen Zeitung Al-Akhbar stimmten am Samstag 59 Prozent der Wähler für die neue Verfassung. Laut der Zeitung Al-Ahram waren es 56 Prozent. All das bei einer anscheinend überraschend niedrigen Wahlbeteiligung von nur 30 Prozent. Aber die Tendenz ist klar. Nur in Kairo und der Industriestadt Mahalla zeichnete sich eine Mehrheit gegen das Gesetz ab. Ein offizielles Endergebnis wird es erst nach dem 22. Dezember geben, nachdem in 17 verbliebenen Provinzen abgestimmt wurde. Die Austragung des Referendums in zwei Schichten ist eine Folge des Streits zwischen der Justiz und Präsident Mursi. Es fanden sich nicht genug Richter zur Beobachtung der Abstimmung, um sie an einem Tag durchzuziehen.
Opposition und Bürgerrechtler beklagen massive Verstöße gegen das Wahlgesetz. In einer live im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz beklagten acht Menschen- und Bürgerrechtsgruppen die Einschüchterung von Wählern und mangelnde Beobachtung. Sie fordern eine Wiederholung des Votums. Und auch die politische Opposition beklagt zahlreiche Verstöße gegen das Wahlrecht.
Nicht zuletzt nach dem Überfall von Salafisten und Islamisten auf die Zentrale der national-liberalen Wafd-Partei in der Nacht auf Sonntag mit Feuerwerkskörpern und Steinen schienen die Lager unversöhnlich.