Ägypten: Militär übernimmt Parlamentsagenden
Von Caecilia Smekal
Nachdem das Verfassungsgericht jüngst die Parlamentswahlen für ungültig erklärt und die Legislative aufgelöst hatte, übernahm jetzt der Militärrat die Kontrolle über die Gesetzgebung und das Budget. Ein neues Parlament soll erst dann gewählt werden, wenn eine neue Verfassung per Referendum gebilligt ist.
In dieser Phase des neuerlichen Umbruchs ging am Sonntag die Präsidenten-Stichwahl zwischen dem Muslimbruder Mohammed Mursi und dem Ex-Militär Ahmed Shafik zu Ende. Die Wahlbeteiligung war äußerst gering. Wegen der brütenden Sommerhitze hielten die Wahllokale zwei Stunden länger offen als geplant. Die Ergebnisse werden erst für Mittwoch erwartet.
Die Wahl fiel vielen Ägyptern nicht leicht: Sie wollen an der Spitze des Staates weder den Apparatschik und Militär Shafik noch den Islamisten Mursi, der eine "islamische Renaissance" ansteuert. Shafik, der die letzten vier Wochen unter Langzeitpräsident Hosni Mubarak sogar Premier war, ist gerade für die jungen Revolutionäre ein rotes Tuch. Seine Regierung war es, gegen die sie im Vorjahr den Aufstand führten.
Buhlen um die Revolutionäre
Gerade die enttäuschten Jungen hatte Mursi zuletzt ins Boot zu holen versucht: "Ich bin ein Sohn der Revolution", sagte er in Anspielung darauf, dass die Muslimbrüder unter Mubarak verboten waren. Doch sein strenges Festhalten an der Scharia und die konservative Grundhaltung der Islamisten werden gefürchtet. Oft schon war die Rede von einem zweiten Afghanistan. Auch der Machthunger der Muslimbrüder hat viele ursprüngliche Anhänger erstaunen lassen.
Groß ist nun die Sorge, dass die am Tahrir-Platz erkämpfte Demokratie nur ein kurzer Funkenschlag gewesen sein könnte. Das Militär wird nicht so schnell weichen: Nach der Übernahme der Parlamentsagenden dürfen Soldaten und Mitarbeiter des Armeegeheimdienstes seit Mittwoch wieder Zivilisten verhaften, auch wenn sie nur den Verkehr in Kairo blockieren.
Die Muslimbrüder, die diese Schritte als maßgeschneidert für einen Sieg Shafiks sehen, sprechen von einem "Staatsstreich". Egal, wer Präsident wird – ohne Parlament und Verfassung füllt das Vakuum der Oberste Militärrat aus. Dass dieser die Macht – wie versprochen – Ende Juni aus den Händen gibt, scheint undenkbar.
Die Generäle bemühten sich indessen, ihren wichtigsten Verbündeten, die USA, zu beschwichtigen. Wie staatliche Medien am Sonntag berichteten, habe der Vorsitzende des Militärrats, Feldmarschall Mohammed Tantawi, in einem Telefonat mit US-Verteidigungsminister Panetta versichert, das Militär werde wie geplant Ende Juni die Macht an zivile Volksvertreter übergeben.
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