Politik/Ausland

Ägypten: Außenseiter will al-Sisi herausfordern

Für Khaled Ali steht viel auf dem Spiel in den kommenden Tagen. Denn am 3. Jänner wird ein ägyptisches Gericht darüber entscheiden, ob er an den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2018 teilnehmen darf oder nicht. Im Falle eines Antritts geht Ali zwar als Außenseiter ins Rennen, doch ist er längst kein Unbekannter mehr in Ägypten.

Der 45 -jährige Anwalt und Menschenrechtsaktivist zählte bereits zu den führenden Gesichtern der Revolution, welche im Jahr 2011 die Herrschaft Husni Mubaraks und die Jahrzehnte währende Militärdiktatur beendete. Und ihm wird als einem der wenigen Bewerber zugetraut bei der kommenden Wahl Amtsinhaber Abd-el-Fattah al-Sisi ernsthaft herausfordern zu können.

Ägyptischer Herbst

Ägypten befindet sich momentan in einer Umbruchphase. Die Aufbruchstimmung des arabischen Frühlings ist längst in Resignation umgeschlagen. Nachdem bei den ersten freien Wahlen 2012 der polarisierende Muslimbruder Mohammed Mursi als Sieger hervorgegangen war, putschten sich die Militärs ein Jahr später an die Macht zurück. Sie enthoben Mursi seines Amtes und gingen sofort daran die alte Ordnung wieder herzustellen.

Bei den Wahlen 2014 siegte al-Sisi schließlich mit einem Stimmenanteil von 97 Prozent, allerdings bei einer Wahlbeteiligung von lediglich 47,5 Prozent. Seither gehen die Behörden mit aller Härte gegen Regimegegner vor, ganz gleich aus welchem Lager, sodass die Repression eine neue Stufe erreicht hat.

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Im Frühjar 2018 steht den Ägyptern nun eine wegweisende Präsidentschaftswahl bevor. Zwar hat al-Sisi seinen Antritt zur Wahl noch nicht offiziell verkündet, doch es wird allgemein erwartet, dass er antreten und die Wahl gewinnen wird.

Das potentielle Bewerberfeld setzt sich großteils aus Vertretern des "alten" Systems zusammen, die enge Verbindungen zur ägyptischen Armee halten und deren Werdegänge teilweise noch in die Jahre der Militärdiktatur unter Mubarak zurückgehen. Etwa Ahmed Shafik, der unter Mubarak als Premierminister diente oder der mittlerweile inhaftierte langjährige Armeeangehörige Ahmed Konsowa.

Die Geister der Revolution

Doch genau hierin sehen Beobachter Khaled Alis Außenseiterchance. Denn Ali gilt als Kandidat der Jugend. Ihm wird als einen der wenigen Kandidaten zugetraut, dass er die jungen Menschen zurück an die Wahlurnen bringt, die seit al-Sisis Regiment zu großen Teilen die Politik boykottieren.

Die Jugend beeinflusst die Politik in Ägypten maßgeblich. Laut Schätzungen sind bis zu 75 Prozent der über 94 Millionen Einwohner Ägyptens jünger als 25 Jahre alt, womit das Land eine der jüngsten Bevölkerungen der Welt aufweist. Diese Generation stellte schon die treibende Kraft hinter den Protesten von 2011 dar und könnte auch bei der kommenden Wahl zu einem entscheidenden Faktor werden.

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Mit einem Programm, das Mindestlöhne und den Kampf gegen Korruption verspricht, will der 45-jährige junge Menschen ansprechen. Gelingt es ihm, so die politische Stagnation der jungen Bevölkerung zu überwinden, könnte er sich zu einem ernsthaften Gegner für Abdel Fattah al-Sisi entwickeln. Erste Unterstützer hat er bereits gefunden. Etwa die mittlerweile verbotene "Jugendbewegung des 6. April", welche als eine der Keimzellen der Revolution von 2011 gilt und zur Unterstützung für Khaled Ali aufrief.

Dies schafft auch starken Gegenwind für Khaled Ali. War er 2012 bei seinem ersten Wahlantritt noch eine Randerscheinung, steht Ali mittlerweile im Rampenlicht - sowohl bei der Bevölkerung als auch bei den staatlichen Behörden. Denn seither verschaffte er sich vor allem als Kämpfer gegen Korruption und die Unterdrückung der Meinungsfreiheit Popularität. Weite Bekanntheit erlangte Ali in Ägypten, als er 2016 die umstrittene Regierungsentscheidung, die beiden Inseln Tiran und Sanafir im roten Meer an Saudi-Arabien abzutreten, vorläufig vor Gericht bekämpfte.

Kritik an brutalem Vorgehen der Regierung

Dementsprechend liegt seine Kampagne von Beginn an im Konflikt mit der Regierung al-Sisis. Denn die Bewegung um Khaled Ali kommt für al-Sisi zum ungünstigsten Zeitpunkt. Das Land befindet sich nämlich gerade auf dem Weg der wirtschaftlichen Erholung nach Jahren der Turbulenzen.

Gleichzeitig muss die aktuelle Regierung viel Kritik aus dem In- und Ausland für ihr brutales Vorgehen gegen Widerstand einstecken. Die mutmaßliche Folterung und Ermordung des italienischen Studenten Gulio Regeni durch Angehörige der ägyptischen Polizei wuchs sich zwischenzeitlich zu einer unangenehmen Affäre für Präsident al-Sisi aus.

Auch der islamistische Terror entwickelt sich zunehmend zu einem ernsten Problem für die innere Sicherheit. Seit Jahren kämpft der Staat gegen Dschihadistengruppen auf der Sinai-Halbinsel, doch trotz des rigorosen Vorgehens schafft es das Militär nicht die Lage unter Kontrolle zu bekommen. Jüngstes Beispiel ist der blutige Anschlag auf eine Moschee vergangenen November.

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Die Militärs sehen jedenfalls nicht tatenlos zu, wie die Protestbewegung wieder an Boden gewinnt. Im September wurde Ali von einem Gericht wegen "obszöner Gesten" verurteilt, die er im Zuge seines gewonnen Rechtsstreit über die Regierung öffentlich getätigt haben soll. Zwar legte er Berufung gegen die Entscheidung des Gerichts ein, der Ausgang des Rechtsstreits ist allerdings noch ungewiss. Sollte die Berufung Alis am 3. Jänner abgewiesen werden, so würde dies auch bedeuten, dass Khaled Ali nicht für die Präsidentschaftswahl kandidieren darf.

Zweifel innerhalb der Opposition

Innerhalb der Opposition gibt jedoch auch kritische Stimmen, welche an der Tauglichkeit Alis als Präsident zweifeln. "Ich werde nicht für Präsident al-Sisi stimmen", verkündete Hisham Kassem, ehemaliger Herausgeber der liberalen Tageszeitung Al-Masry Al-Youm, "Aber ich hoffe auf einen beeindruckenderen Kandidaten als Khaled Ali." Denn um Herr der Lage zu bleiben "muss ein Präsident mit den Sicherheitsbehörden kooperieren können." so Kassem weiter. Auch sehen manche die Unterstützung durch Gruppierungen, wie die "Jugendbewegung des 6. April" mehr hinderlich als förderlich für die Oppositionsbewegung.

Khaled Ali lässt sich davon wenig beeindrucken. Denn ganz gleich, wie die Wahl auch ausgehen mag, so hat er ein erklärtes Ziel. Er möchte der ägyptischen Führungsriege um Präsident al-Sisi ein Schnippchen schlagen und eine starke Gegenstimme zum "alten" System schaffen.