Politik

Abweisung im Spital kostete ein Bein

Es begann mit einem winzigen Kratzer auf der rechten Ferse, der nicht einmal blutete. Der 47-jährige Pharmareferent Armin Breitler war unabsichtlich auf ein kleines Aststück gestiegen, das sich durch den Socken bohrte.

Tags darauf bekam der Steirer Fieber und dachte: "Hab ich mich halt irgendwo verkühlt." Drei Tage später stellten sich rasende Schmerzen im Fuß ein, abends konnte Breitler kaum noch auftreten und wurde mit der Rettung ins Landeskrankenhaus (LKH) Bruck an der Mur gebracht.

"Man sagte mir, sie hätten einen Notfall, ich müsse warten", erzählt Breitler dem KURIER. Als er endlich an die Reihe kam, erwähnte er die Sache mit dem Ast und das Fieber und wurde, ohne dass man ihm eine Blutprobe zur Analyse abnahm, mit Schmerzmitteln weggeschickt. Daheim "wälzte ich mich vor Schmerzen am Boden", wieder wurde Breitler in die unfallchirurgische Ambulanz gebracht, wieder wurde er mit der Diagnose "Muskelverkrampfung" weggeschickt.

Dritter Transport in der Früh, endlich Blutabnahme, endlich Aufnahme auf der Neurologie. Breitler gab an, dass der Schmerz im Bein von unten nach oben wandert. Keine Reaktion. Zu Mittag hieß es, Blut- und Nierenwerte seien schlecht.

Gelähmt

Breitler: "Ich dachte, jetzt geht es den Bach runter. Mein Fuß war schon dunkelgrau und gelähmt. Ich war schwindlig, kaltschweißig, grau im Gesicht. Am Nachmittag kam meine Mutter und war geschockt, wie ich ausschau." Sie schlug Alarm: "Kümmert sich denn keiner?" Gegen 16 Uhr trat eine junge Ärztin ihren Dienst an und erkannte, dass ein Keim in Breitlers Fuß wütet (Gasbrand), dass sein Bein hochgradig septisch ist. "Dann kamen plötzlich vier Leute im Laufschritt" (Breitler) und der Patient wurde mit dem Hubschrauber in die Uniklinik nach Graz überstellt.

Nachdem man dem Familienvater das rechte Bein samt Hüftgelenk, rechtem Hoden und halbem Gesäß amputiert hatte und er nach 22 Operationen und zehn Tagen Tiefschlaf wieder aufwachte, ließen ihn die Grazer Ärzte wissen: "Wenn Sie drei Stunden früher gekommen wären, hätte man das Bein retten können."

Und was sagt der Vorstand der Unfallchirugie in Bruck an der Mur (siehe Zusatzbericht)? Dass ein Gasbrand im Anfangsstadium nicht zu diagnostizieren ist und die Sterblichkeit 80 Prozent beträgt. Also Herr Breitler kann eh froh sein, dass er noch lebt.

"Keine Hüfte mehr zu haben, kann man sich schwer vorstellen", sagt Breitler: "Fast drei Viertel meines Gesäßes wurden entfernt." Trotzdem wurde er nur als 70 Prozent invalide eingestuft. Seinen Job kann er nicht mehr ausüben.

Ein Strafverfahren gegen die Verantwortlichen des LKH Bruck/Mur läuft. Mithilfe seines Rechtsbeistandes Professor Nikolaus Lehner (Kanzlei Lehner&Lehner) versucht Breitler, nun wenigstens zu Schadenersatz zu kommen.

Reaktionen: "Tragischer Krankheitsverlauf"

Die Staatsanwaltschaft Leoben hat einen Sachverständigen mit einem Gutachten beauftragt. Ein von Nikolaus Lehner eingeholtes Privatgutachten kommt zum Ergebnis, dass gravierende Zeitverluste im organisatorischen Ablauf der Klinik von – je nach Gewichtung – bis zu 17 Stunden zwischen möglicher Diagnosestellung und angemessenen therapeutischen Maßnahmen zu der Katastrophe geführt haben.

Primarius Franz Schweighofer von der Unfallchirurgie sagt in einer Stellungnahme: "Die Symptomatik war unspezifisch und passte ... zu einem grippalen Infekt. " Die Diagnostik eines Gasbrandes sei bei Fehlen einer Verletzung nicht möglich, die Krankheit schreite extrem rasch fort, und "in den allermeisten Fällen" könne "nur eine Extremitätenamputation das Leben erhalten".

Der ärztliche Direktor des LKH Bruck/Mur, Heinz Luschnik, spricht von einem "tragischen Krankheitsverlauf". Man habe alles getan, sei an einer lückenlosen Aufklärung aber sehr interessiert.