Phelps trat in Rio seine nächste Medaillen-Lawine los
Phelps hatte sich im Juni nicht über die Trials für das US-Quartett über 4 x 100 m Kraul qualifiziert, er war nicht einmal über die Kraulstrecken angetreten. Im Endeffekt hat er aber am Sonntag (Ortszeit) wenige Minuten vor Mitternacht eindrucksvoll bestätigt, dass seine Staffelnominierung mehr als gerechtfertigt war. In einem überaus starken Feld verschaffte der 31-Jährige auf zweiter Position den entscheidenden Vorsprung von mehr als einer Sekunde.
Der mit nun 19 Goldmedaillen ausgestattete und mit großem Abstand erfolgreichste Sportler der Olympia-Geschichte gab danach jedoch zu, selbst mit seiner großen Routine nervös gewesen zu sein. "Als ich auf dem Startblock gestanden bin, fühlte es sich an, als ob mein Herz zu explodieren schien", bezog er sich auf die Momente kurz vor der Übernahme von Startschwimmer Caeleb Dressel. "Ich weiß nicht, ob ich schon einmal so intensiv angefeuert wurde."
Dieser Bewerb sei ihm zudem ein ganz persönliches Anliegen gewesen, nachdem ihn die US-Truppe 2012 in London gegen Frankreich hatte verloren geben müssen. Die Franzosen investierten auch diesmal alles, Jeremy Stravius verzichtete davor sogar auf seinen Semifinaleinsatz über 200 m Kraul, war dann letztlich aber nur 1/100 schneller als Phelps. Mit 61/100 Rückstand wurde sein Team Zweiter. Phelps: "Wir wollten dieses Gold so sehr zurückhaben."
Vor vier Jahren war wie diesmal auch Nathan Adrian in der US-Equipe gestanden, dazu mit Cullen Jones und Ryan Lochte zwei weitere Routiniers. Diesmal entschied sich die Teamführung aber, das Aufgebot mit Dressel und Ryan Held zu ergänzen. Held ist 21 und damit zehn Jahre jünger als Phelps, Dressel wird gar am Dienstag nächster Woche erst 20. Unter der Führung von Phelps und Adrian hielten sie dem Druck auf den Positionen eins und drei aber stand.
Bei und nach der Siegerehrung fiel die ganze Last von den beiden aber ab. Beim zwischen Adrian und Phelps auf dem Podest gestandenen Held kullerten während des Abspielens der US-Hymne die Tränen, Dressel übermannten danach beim Posieren für die Fotografen die Emotionen. Als Phelps 2000 in Sydney Fünfter über 200 m Delfin geworden war, waren die beiden erst vier bzw. fünf Jahre alt. Nun standen sie mit ihrem Idol auf dem obersten Olympia-Treppchen.
Das zeigt aber auch, wie lange sich der Schwimm-Superstar an der absoluten Spitze hält bzw. wie er wieder dorthin zurückgekehrt ist. Ein Blick auf die Ergebnislisten würde vermuten lassen, dass Phelps einfach dort weitergemacht hat, wo er 2012 mit vier Goldenen aufgehört hat. Tatsächlich liegt da aber sein Rücktritt, eine schwere Comeback-Zeit mit Alkoholfahrt, Bewährungsstrafe und Sperre u.a. für die Kasan-WM 2015, also ein harter Weg zurück dazwischen.
Und dann so etwas. "Es waren die schnellsten 100 m meiner Karriere", merkte Phelps nach dem Staffelrennen an und ließ erahnen, dass da diese Woche noch einiges nachkommen werde. "Ich habe den Jungs vor dem Rennen gesagt, dass ich ihnen so viel Vorsprung wie möglich herausholen will", erklärte Phelps. "Und diese Burschen haben das auch hervorragend gemacht. Sie werden auch in vier Jahren (Tokio 2020, Anm.) da sein, ich aber dann nicht mehr."
Angesteckt von seinen jungen Teamkollegen, kam Phelps dann auch selbst das eine oder andere Tränchen. "Sie haben angefangen, und da konnte ich mich auch nicht mehr zurückhalten", gab der nun 23-fache Medaillengewinner bei Olympischen Spielen zu. "Ich habe ihnen gesagt, dass es in Ordnung ist, zu weinen und seine Emotionen zu zeigen." Phelps selbst wird in Rio wohl noch einige Male die Gelegenheit dazu bekommen.
Auch wenn es bei überaus starker Konkurrenz keine Selbstläufer werden, für die Endläufe am Dienstag über 200 m Delfin, Donnerstag über 200 m Lagen und Freitag über 100 m Delfin ist Phelps zumindest als Co-Favorit gebucht. Über die längere Delfinstrecke geht es für ihn ebenfalls um eine Revanche, hatte er doch vor vier Jahren das Finale gegen den Südafrikaner Chad le Clos verloren. Der Wiener Dinko Jukic war damals als Viertplatzierter hautnah dabei.
Aus seinen anderen beiden Einzelstrecken würde Phelps bei einem weiteren Erfolg jeweils zum vierten Mal in Folge bei Spielen triumphieren. Das wäre in der olympischen Schwimm-Geschichte einzigartig. Bereits seit Sonntag ist der 27-fache Weltmeister der erste Schwimmer mit Olympia-Goldenen bei vier verschiedenen Spielen. In Rio ist der größte Olympionike aller Zeiten zudem auch für die lange Kraul- und die Lagen-Staffel ein überaus heißes Thema.