Maserati Grecale Trofeo im Test: Mehr Grecale geht nicht
Von Horst Bauer
Dass ein SUV unterhalb des großen Levante gebraucht wird, war den Maserati-Strategen nicht erst seit der Eingliederung in das Stellantis-Universum klar. Schließlich konnnte die Marke nicht nur vom großen Namen und ein paar zugespitzten Sportwagen alleine dauerhaft überleben. Und der Levante war zwar ein historischer Schritt in eine für Maserati vollkommen neue Fahrzeuggattung, aber wegen der Positionierung als großes Luxus-SUV eben nicht auf große Stückzahlen ausgelegt.
Die braucht es aber, nicht zuletzt um die Daseinsberechtigung im Marken-Konglomerat des Stellantis-Konzerns zu sichern.
Eine Aufgabe, der sich der Grecale durch die Spreizung auf drei Modell-Varianten stellt. Dass sich die Einsteigerversion namens Grecale GT mit einem Vierzylinder-Mild-Hybrid-Motor schwer tut, die sportlichen Erwartungen in den großen Namen zu erfüllen, war an dieser Stelle bereits zu lesen.
Jetzt sollte der Top-Grecale namens Trofeo zeigen, dass auch ein vergleichsweise kompaktes SUV tatsächlich ein echter Maserati sein kann. Die wesentlichste Voraussetzung dafür findet sich unter der Motorhaube. Dort arbeitet nämlich kein zwangsbeatmeter Vierzylinder wie im GT, sondern die auch in den Sportwagen der Marke eingesetzte Eigenentwicklung namens Nettuno-V6 mit ausreichend Hubraum (3 Liter), würdiger Leistung (530 PS) und massigem (Drehmoment 620 Nm).
So gesehen hätte es der Trofeo gar nicht notwendig gehabt, mit so einer speziellen Farbgebung wie das gegenständliche Testmodell auf sich aufmerksam zu machen. Zur Beruhigung sei daher angemerkt: Unter der Folierung mit dem Farbton "Lime" (für wohlfeile 7.000 € zu haben), schlummert die Original-Lackierung in "Grigio Lava". Was auch die Wahl der roten Ledersitze ästhetisch erklärbar macht.
Aber letztlich geht's beim stärksten Grecale ja um die zentrale Frage: Wie fährt er sich angesichts der speziellen Leistungsdaten?
Antwort: So wie man es sich von einem stolzen Träger des Namens Maserati erwartet. Und das liegt nicht nur an der Charakteristik des Nettuno-V6. Auch die Fahrwerksentwickler in Modena haben ganze Arbeit geleistet. Egal in welchem Fahrprogramm (bis hin zum nur hier freigeschalteten "Corsa"), der Top-Grecale wirkt in keiner Situation überfordert angesichts des enormen Schubs, den die Antriebseinheit zu entwickeln imstande ist.
Für flotte Gangart auf unabgesperrten Straßen sei jedoch der Modus "Sport" empfohlen. Wer sich bis zu "Corsa" vorwagt, sollte sich im Klaren darüber sein, dass in dem Fall die elektronischen Fahrhelfer Pause haben und der Grenzbereich in Eigenverantwortung ausgelotet werden muss. Was, wenn es denn sein muss, auf der Rennstrecke gemacht werden kann. Dort endet die Auslaufzone bekanntlich nicht auf der Gegenfahrbahn.
Virtuelles Fangnetz
Aber keine Angst: Das Vertrauen in die sportlichen Ambitionen der diversen Schlupf- und Schub-Optimierer an Bord wird nicht nur durch ein virtuelles Fangnetz in Extremsituationen belohnt. Selbst bei sehr ambitionierter Fahrweise greifen sie nie abrupt und unharmonisch ins fahrerische Geschehen ein. Und die äußerst solide Grundabstimmung des Fahrwerks in Kombination mit der präzisen Lenkung und der flink reagierenden Drehmomentverteilung auf die vier angetriebenen Räder sorgt für ein derart neutrales Kurvenverhalten, dass kaum je die Idee aufkommt, hier ein SUV mit gut zwei Tonnen Lebendgewicht durch die Gegend zu scheuchen.
Apropos automatische Helfer: Dazu zählt ebenso die Achtgangautomatik, die auf Wunsch natürlich auch via der bei jedem Lenkradeinschlag gut greifbaren Schalt-Paddles bedient werden kann. Aber auch hier gilt: Vertrauen in das Sport-Programm wird mit äußert flinkem Gangwechsel belohnt. Und das auch beim selbsttätigen Hinunterschalten vor stark anzubremsenden Kurven.
Den neuen Zeiten geschuldet ist zudem, dass der im Anlassfall so brachiale Grecale Trofeo im "Eco"-Modus auch vollkommen entspannt dahingleiten kann. Aber selbst dann bleibt akustisch - wenn auch nervenschonend abgedimmt - immer ein sonores Brummen aus dem Motorraum vernehmbar. Also genau das, was die Fangemeinde von einem Maserati erwartet - und was der Zweiliter-Vierzylinder im Grecale GT naturgemäß nicht leisten kann.
Dunkler Startknopf
Wo sich die beiden Antipoden des Grecale-Universums annähern, ist jedoch das Cockpit. Dies sowohl von Seiten der Opulenz der Ausstattung samt der - in der glorreichen Vergangenheit eher selten gegebenen - soliden Verarbeitung der hochwertigen Materialien. Also auch leider von Seiten der nicht immer sehr praxisorientierten Benutzerführung. Warum etwa der Startknopf links auf dem Lenkrad erst als solcher erkennbar ist, nachdem er gedrückt wurde, ist ebenso schwer nachvollziehbar, wie die Ausgestaltung der Fahrstufenschalter als virtuelle Knöpfe unterhalb des zentralen Bordmonitors. Mit dem am häufigsten gebrauchten Knopf (D für Vorwärtsfahrt) am weitesten entfernt vom Lenkrad.
Wer sich davon nicht abschrecken lässt und über zumindest 145.757 € Spielkapital verfügt um sich ein scharfes SUV in überschaubarer Größe und mit Exotenfaktor leisten zu können, ist beim Maserati Grecale Trofeo gut aufgehoben.
Sollte für einen allfälligen Familienrat zur Bestimmung, welche der drei Grecale-Versionen es denn werden soll, noch ein Vernunft-Argument für den Trofeo gesucht werden: Der hat mit 570 l Volumen einen um ganze 35 l größeren Kofferraum, als die beiden Vierzylinder.
Antrieb: 3,0-l-V6-Turbo-Benziner, Leistung 530 PS / 390 kW, max. Drehmoment 620 Nm bei 3.000 - 5.500 U/min., Achtgang-Automatik, Allradantrieb. Abgasklasse EURO 6d FINAL.
Fahrleistungen: Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 3,8 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 285 km/h
Abmessungen: Länge x Breite x Höhe 4.859 x 2.163 x 1.979 mm, Radstand 2.901 mm, Wendekreis 12,4 m. Fahrzeuggewicht 2.027 kg. Kofferaumvolumen 570 l, Tankvolumen 64 l.
Verbrauch: Normverbrauch nach WLTP 11,2 l /100 km (254 g/km CO2), Testverbrauch 14,8 l / 100 km.
Kosten: Grundpreis Maserati Grecale Trofeo 145.757 €, Preis des Testwagens: 161.425 €.