Motor/Tests

Urus: Der hochgestellte Lambo für den Wintereinsatz

Er ist zwar nicht der erste Lambo, der auch Gelände kann (da hat es Ende der 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts bekanntlich schon den unglaublichen LM gegeben). Dennoch hat der Lamborghini Urus einige Premieren für die Marke mit dem Stier zu bieten:

So ist das „Super-SUV“, wie man den Urus werksseitig bezeichnet, der erste Lamborghini mit einem Automatik-Getriebe. Und zudem auch das erste Modell der Supersportwagen-Schmiede, das nicht auf einen großvolumigen Saugmotor vertraut, sondern von einem Turbo-Triebwerk befeuert wird.

Womit wir gleich beim zentralen Punkt der Annäherung an jenes Modell wären, dass den Italienern aus dem VW-Konzern in den vier Jahren seiner Präsenz auf dem Markt eine Verdoppelung des Verkaufsvolumens beschert hat. Den Skeptikern, die einen Lamborghini mit SUV-Optik für Ketzerei hielten, wird entgegengehalten, dass 16.000 Kunden weltweit nicht irren können.

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Dass es bisher so viele geworden sind, hat wohl nicht nur mit der Kraft der Marke und der markentypisch aggressiven Optik des Urus zu tun. Da wurde auch technisch vieles richtig gemacht. So kommt in der Fahrpraxis etwa nie der Verdacht auf, dass man es hier mit einem verkleideten Audi oder Porsche zu tun hat, obwohl der V8-Turbo auch in den scharfen Varianten von Audi Q8 und Porsche Cayenne Dienst versieht. Vor allem nicht, wenn sich der Stier im Kampfmodus bewegt und alle Systeme auf Optimierung von Längs- und Querdynamik kalibriert sind. Spätestens dann verblassen alle Zweifel, dass es sich beim Urus nicht um einen echten Lamborghini handeln könnte.

Um derlei Erkenntnisse zu gewinnen, braucht es allerdings die Rennstrecke – oder zumindest ein weitläufig einsehbares Stück einsamer Landstraße.

Entspannt im Alltagsverkehr

Ist dieses Kapitel einmal abgehakt, kann man sich den anderen Qualitäten des Urus zuwenden, die ihn im positiven Sinne aus der Riege seiner flachen Markenkollegen herausstechen lassen. Mit keinem Lamborghini bisher – und da sind auch Limousinen-Versuche wie der Espada mitgemeint – konnte man so entspannt und problemlos durch den Alltagsverkehr schwimmen. Bleibt man im „Strada“-Modus, fährt er sich so bequem und handlich, dass man ihm die Explosion auf dem anderen Ende der Fahrprogramm-Skala nicht zutrauen würde. Selbst die stattliche Länge von über fünf Metern ist dank der Allradlenkung beim Rangieren und im Stadtverkehr für den Piloten kaum merkbar. Und auch die Geräuschkulisse hält sich in langstreckentauglichen und nachbarschafts-dienlichen Dimensionen.

Akustisch so richtig dahingerotzt wird erst ab der Stellung „Sport“. Hier werden dann auch gleich einige andere Parameter nachgeschärft, von den elektronischen Fahrhelfern über die Lenkung bis zu den Dämpfern. In dieser Hinsicht lässt sich mit „Corsa“ noch einmal ein Schäuferl nachlegen, wovon man aber abseits der Rennstrecke kaum je Gebrauch machen sollte.

Sehr wohl sinnvoll für den Alltagsbetrieb - vor allem im alpenländischen Winter - ist hingegen die Stellung „Snow“. In der wird nicht nur die Kraft sensibler auf die Antriebsräder verteilt, sondern praktischerweise gleich auch die Karosserie angehoben, um problemlos über verschneite, ungespurte Wege pflügen zu können.

Die beiden anderen Stellungen des Fahrprogramm-Schalters für Fahrten im Gelände bzw. auf Sand werden in unseren Breiten wohl eher selten benutzt werden. Schließlich kann man davon ausgehen, dass jemand, der finanziell in der Lage ist, sich einen Urus als Ganzjahresauto zu halten, auch ein ädaquateres Gefährt für allfälligen schweren Gelände-Einsatz in der Garage stehen hat.

Hilfe fürs Budget

Womit wir beim Faktor Kosten wären. Ohne auf die durch die heimischen Steuergesetze recht komplizierten Details einzugehen (Stichwort NoVA-Berechnung, CO2-Malus etc.): Ein ähnlich gut ausgestatteter Urus, wie es der konkrete Werks-Testwagen war (Preis ohne Steuer 241.609 €), schlägt sich bei uns aktuell mit rund 400.000 € zu Buche. Allein der Umstand, dass man sich nicht schon vor einem Jahr zum Kauf entschlossen hat, stärkt die Staatseinnahmen um zusätzlich rund 50.000 €. Soviel ist die mit 1. Jänner 2022 weiter verschärfte NoVA-Berechnung wert.

Sollte man also einen Lamborghini Urus mit österreichischer Nummerntafel im Straßenverkehr sehen, lässt sich ein allfällig aufkeimender Neidkomplex leicht unterdrücken. Immerhin rollt da vor einem dann ein kräftiger Zuschuss zum derzeit ohnehin so stark strapazierten Budget.

Um den zusätzlich zum Netto-Kaufpreis auf die Seite zu legen, hat man als potenzieller Käufer aber ohnehin etwas Luft. Die aktuelle Wartezeit auf einen neuen Urus beträgt derzeit nämlich rund eineinhalb Jahre.

Antrieb: V8-Bi-Turbo-Benziner, Hubraum 3.996 cm3, 650 PS / 478 kW, Max. Drehmoment 850 Nm bei 2.250 - 4.500 U/min, Allradantrieb mit integriertem Vorderachsdifferenzial, Zentraldifferenzial (Torsen) und aktivem Hinterachsdifferenzial mit Torque Vectoring, 8-Gang-Automatikgetriebe.

Fahrwerk: Multi-Link an Vorder- und Hinterachse, Adaptive Luftfederung mit aktiver elektromechanischer
Wankstabilisierung, Carbon-Keramik Bremsscheiben vorne und hinten, Hinterradlenkung, Servotronic-Lenkgetriebe, Wendekreis 11,8 m.

Fahrleistungen: Beschleunigung von 0 - 100 km/h in 3,6 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 305 km/h, Bremsweg von 100 auf 0 km/h 33,7 m.

Abmessungen: Länge x Breite x Höhe 5.112 x 2.016 x 1.638 mm, Radstand 3.003 mm, Leergewicht 2.200 kg, Benzintank 85 Liter, Kofferraum 616 - 1.596 l.

Verbrauch: Normverbrauch (WLTP) 12,7 l /100 km, 325 g/km CO2.

Kosten: Grundpreis ohne Steuern 186.134 €, Preis des Testwagens ohne Steuern 241.609 €.
Preis mit österreichischen Steuern ab 1.1.2022 je nach Ausstattung rund 380.000 - 400.00 €