Ioniq 6: Überzeugende Stromlinie
Von Michael Andrusio
Zugeben, als die ersten Bilder vom Ioniq 6 die Runde machten, waren wir nicht wirklich überzeugt von der Ästhetik des da Gesehenen. Tatsächlich schaut das Auto in natura aber besser aus als auf den Bildern, und auch mit dem eigenwilligen Heck haben wir mittlerweile Frieden geschlossen. Manch (kritische) Beobachter sehen hier etwas von einem Mercedes CLS, andere irgendwas von Porsche.
Solche Vergleiche sind den Designern natürlich völlig fremd, vielmehr soll das Hinterteil an ein Bootsheck erinnern und überhaupt stand die Aerodynamik ganz im Mittelpunkt der Formgebung. Windschnittig soll das Elektroauto sein und so steht er auch vor uns, der Ioniq 6.
0,21 beträgt der beachtliche cW-Wert des Autos und das heißt weniger Stromverbrauch und in weiterer Folge mehr Reichweite. Den Strom speichert der Ioniq 6 in einem 77,4-kWh-Akku (alternativ gäbe es auch eine Short Range Version mit 53 kWh, aber will schon ein E-Auto, das „Short Range“ im Namen hat?). Wir fahren den Ioniq 6 als 2WD mit 168-kW-Motor, das ist leistungstechnisch die goldene Mitte. Damit beschleunigt der Koreaner zügig genug, ohne dass man zu vehement in die Polstermöbel gedrückt wird.
Ruhe
Das passt auch besser zum sanften Wesen des Ioniq 6, denn das Auto ist sonst vor allem eines – unglaublich leise. Windgeräusche werden durch die Aerodynamik subtrahiert und vom Motor hört man nur dann etwas, wenn man das Geräusch auf Knopfdruck anwählt. Dann gäbe es den Normalsound (klingt wie: Wind pfeift ums Haus) und den verstärkten Motorsound (Wind pfeift ums Haus mit Echo).
Was das sonst ruhige Reisen im Ioniq 6 stört, ist die Überwachung der Tempolimits, die einen mit nervigem Gepiepse maßregelt, auch wenn man nur 3 km/h drüber ist. Die Rekuperation kann man mit den Paddels am Volant feinjustieren – das ist durchaus unterhaltsam und die stärkste Stufe erzeugt quasi ein One-Pedal-Gefühl, bei dem man praktisch keine Bremse mehr braucht. Was das Fahrgefühl trübt, ist die eher indirekte und gefühllose Lenkung.
Der Verbrauch des Ioniq 6 ist absolut herzeigbar. 15 kWh/100 km waren es und in Verbindung mit dem 77,4-kWh-Akku kommt man auf eine realistische Reichweite von fast 500 Kilometer (Hyundai gibt sogar bis 614 km an). Vorteil des Ioniq ist auch die Möglichkeit, flott nachzuladen. Dank 800-Volt-Systemarchitektur geht es mit bis zu 221 kW, wenn man die passende Ladesäule bei der Hand hat. Wir hatten ein eigenwilliges Extra an unserem Testwagen, nämlich die kamerabasierten Außenspiegel. Die sind für die Beobachtung des Verkehrsgeschehens eher suboptimal, vor allem, wenn es um Spurwechsel geht. Da hilft auch eine Warnanzeige im Display, wenn andere Verkehrsteilnehmer in der Nähe sind, wenig.
Das gefällt
Ungemein leise Antriebseinheit,
gute Reichweite, schnelles Laden möglich
Das gefällt nicht
Nerviges Gepiepse von den Überwachungssystemen, gefühllose Lenkung, auf die aufpreispflichtigen Kamerarückspiegel kann man verzichten
Daten
Antrieb: E-Motor mit 168 kW/229 PS, Drehmoment 350 Nm, Heckantrieb,
Fahrleistungen: 0–100 in 7,4 Sekunden, Spitze 185 km/h
Akku: Lithium-Ionen mit 77,4 kWh Kapazität, Stromverbrauch (WLTP): 14,3 kWh, Reichweite: 614 km; Testverbrauch: 15 kWh
Abmessungen: Länge 4.855 mm, Breite 1.880 mm, Höhe 1.495 mm, Gewicht ab 1.910 kg, Kofferraumvolumen (Heck): 401 Liter
Preis: 68.490 € (2WD 77,4 kWh Top Line Ausstattung)
Die Bedienung ist sonst gut und logisch. Funktionen, die man schnell zur Hand haben will, wie Klimaregelung oder Lautstärke, findet man auch schnell. Was ist uns sonst aufgefallen? Das Platzangebot ist gut, hinten hat man ordentlich Beinfreiheit und keinen Mitteltunnel, aber mit der Kopffreiheit wird es bald eng.
Der Ioniq 6 kostet in unserer Konfiguration – Long Range 2WD mit umfangreicher Top Line Ausstattung – ab 68.490 Euro.