Porsche 911 Carrera 4S: Die Kunst der richtigen Balance
Von Peter Schönlaub
Wenn es wieder einmal gilt, Porsches Meisterstück weiterzuentwickeln, dann überstrahlt ein Grundsatz alle übrigen: Der Neue muss schneller sein als sein Vorgänger. Die nunmehr präsentierte achte Generation macht da keine Ausnahme.
Doch diesmal ging’s nicht allein ums Schnellsein. Das intern 992 genannte Modell sollte auch komfortabler, sicherer und einfacher zu fahren sein.
Für unsere erste Nachschau, ob dieses Vorhaben gelungen ist, konnten wir das Carrera 4S Coupé ausfassen: 450 PS stark, mit neuem 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe und modifiziertem Allradantrieb. Preis: 155.179 Euro.
Nach dem Einsteigen dominiert der Eindruck gelungener Ergonomie. Die neuen Sitze bieten im Schulterbereich gute Unterstützung ohne einzuengen. Der wie in den frühen Generationen horizontal ausgerichtete Armaturenträger wurde puristischer gestaltet, die schlankere Mittelkonsole konsequent von der zuletzt schon überbordenden Tasten-Armee befreit.
Dem Trend der Zeit entsprechend kommen hochauflösende Displays zum Einsatz: Zwei sieben Zoll große Schirmchen links und rechts vom großen, analogen Drehzahlmesser, ein 10,9 Zoll großer Touchscreen in der Mitte des Fahrzeugs.
Das solchermaßen aufgeräumte Konzept überzeugt in der Bedienung, mit einer Ausnahme: auf den kleinen Bildschirmen werden jeweils zwei Rundinstrumente dargestellt, um damit den Look der Ur-Elfer nachzuempfinden. Leider aber verschwinden die beiden äußersten „Instrumente“ hinter dem Lenkradkranz.
Balance und Kontrolle
Bei der ersten Ausfahrt machen sich die versprochenen Meriten der achten Generation deutlich bemerkbar. Der neue ist der ausgewogenste Neunelfer aller Zeiten: extrem einfach zu fahren und dank der direkter ausgelegten, hervorragenden Lenkung auch präzise und sportlich.
Ein Quantensprung ist das Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe, das die Gänge butterweich wechselt und beim Anfahren souveräner agiert als bei den meisten Hochleistungssportlern. Dass es ein zweites Gesicht zeigen kann, beweist der Sport-Plus-Modus: Da wird der nächste Gang hart hineingefeuert, der Boxermotor mit Zwischengas malträtiert und auch das Herunterschalten in Millisekunden erledigt. Mindestens ebenso verblüffend ist die Gutmütigkeit des Autos, selbst im Grenzbereich. „Mit diesem 911 kann jeder schnell fahren“, erklärt uns Walter Röhrl.
Umgekehrt beherrscht das Coupé auch die Kunst des Cruisens besser als je zuvor. Mit äußerst komfortabler Abstimmung wird der Sportwagen fernreisetauglich, wären da nicht einige Windgeräusche im Bereich der Seitenfenster.
Doch unterm Strich dominiert die Begeisterung: Das Gute ist wieder einmal besser geworden. Im Bemühen, sowohl den Alltag fast ohne Allüren zu bewältigen als auch auf der Rennstrecke Gänsehaut zu verbreiten, wächst der neue 911 über seine Vorgänger-Generationen hinaus. Und ja, schneller ist er natürlich auch geworden.
Porsche Track Precision App
Parallel zum neuen Porsche 911 präsentierten die Stuttgarter auch eine Weiterentwicklung ihrer Track Precision App, die ab März verfügbar sein soll. Der Motor-KURIER hatte die Möglichkeit, die Funktionsweise der neuen App schon auf der Rennstrecke in Valencia zu testen.
Die App lässt sich kostenfrei für iOS- und Android-Smartphones downloaden, um sie nutzen zu können, muss man aber das optionale Sport Chrono Paket geordert haben. Dann wird das Smartphone zur Action-Cam und gleichzeitig zum Werkzeug für eine umfassende Daten-Analyse auf der Rennstrecke.
Wie funktioniert’s genau? Man befestigt das (mit dem Fahrzeug via WLAN verbundene) Smartphone an einer entsprechenden Halterung innen an der Windschutzscheibe, wählt eine von weit mehr als 100 hinterlegten Rennstrecken aus und fährt einfach los. Die App erkennt die Start-Ziel-Linie und beginnt mit der Datenaufzeichnung. Wie man auf unserem Video sieht, lässt sich an jedem Punkt der Rennstrecke nachvollziehen, was fahrdynamisch passiert: Lenkung, Gaspedalstellung, Verzögerungsleistung, G-Kräfte, Einsatz des PSM (das ESP von Porsche), all das lässt sich abrufen und mit verschiedenen Grafiken analysieren. Man kann auch die Aufzeichnungen von befreundeten Fahrern über die eigenen Kurven legen und die Unterschiede herausarbeiten: etwa die Bremspunkte.
Darüber hinaus bietet die App weitere Funktionen: etwa ein Rennstrecken-Logbuch mit individuellen Fahrzeugeinstellungen (Luftdruck etc.) oder die Möglichkeit, einen Rundkurs oder eine Strecke, die nicht programmiert sind, selbst anzulegen.