Liegt's am Sound? Warum elektrische Motorräder nur sehr wenig Anklang finden
Von Sandra Baierl
Auf den ersten Blick sieht die Harley-Davidson „Livewire One“ aus wie ein gewöhnliches Motorrad. Erst an der Ampel hört man den Unterschied zur sonst üblichen Lärm-Kulisse. Mit ihrem elektrischen Antrieb ist sie nicht nur leise unterwegs, sondern auch umweltfreundlich: Weil der Zweirad-Stromer keine Abgase ausstößt, reduziert er die lokale Belastung durch Feinstaub und Schadstoffe.
Während sich E-Autos langsam etablieren, haben die batteriebetriebenen Motorräder noch einen langen Weg vor sich. „Die meisten Biker brauchen das Freiheitsgefühl auf der Maschine. Sie wollen ihre Strecken fahren, ohne an die nächste Steckdose denken zu müssen“, erzählt Dirk, der anonym bleiben möchte, der Deutschen Presse-Agentur. Für den leidenschaftlichen Motorradfahrer komme der Kauf eines E-Modells nicht infrage: „Ein Biker erkennt eine Maschine am Klang - auch das fällt bei den Elektro-Motorrädern weg.“
Zwar ist nach Angaben des Industrie-Verbands Motorrad Deutschland (IVM) das Interesse an motorisierten Zweirädern mit Elektroantrieb in den Jahren seit 2020 deutlich gestiegen, das gelte aber vor allem für die kleineren Fahrzeugsegmente. Was auch mit der Angebotspalette von elektrischen Krafträdern zu tun hat.
So verschob BMW die Vorstellung seines ersten E-Motorrads auf frühestens 2026 - ursprünglich war das Modell schon für 2025 angekündigt worden. Es gebe weltweit „nirgendwo eine wirklich relevante Nachfrage seitens der Kunden nach elektrischen Motorrädern“, sagt BMW-Sprecher, Tim Diehl-Thiele. Solange die Nachfrage ausbleibt, mache es keinen Sinn, ein vollelektrisches Motorrad auf den Markt zu bringen.
Die Kaufhindernisse
Die häufigsten Kaufhindernisse sind die eingeschränkte Reichweite und die Aufladedauer von E-Motorrädern, erklärt Matthias Meier, Geschäftsführer der Harley-Davidson-Factory in Frankfurt. Nach Angaben des ADAC schaffen es die meisten Modelle nur auf 100 bis 200 Kilometer Reichweite, einige wenige schaffen auch mehr. Motorradfahrer würden ihre Krafträder aber oft für deutlich längere Strecken nutzen, sagt Meier. „Wenn der typische Motorradfahrer mit seinen Kumpels einen Ausflug machen will, kommt er mit der E-Version nicht weit.“
Um die Barrieren der Motorradfahrer abzubauen, lohne sich eine Probefahrt, sagt Meier. „Elektrische Motorräder polarisieren beim Erstkontakt.“ Das Handling und die spielerische Leichtigkeit würden fast jeden Fahrer begeistern. „Man muss nicht mal kuppeln. Auch die Bremse braucht man nur, wenn man mal scharf bremsen muss. Und im Hochsommer muss man sich nicht vor der Motorwärme schützen“, erzählt er über die „E-Harley“.
Nur in der Stadt?
Deutlich erfolgreicher sind hingegen die kleineren E-Modelle. Gerade in Stadtgebieten profitiere man von kurzen Stauzeiten, einfacheren Parkmöglichkeiten und überschaubaren Fahrzeugkosten, heißt es vom IVM. Dem Verband zufolge machen Elektrofahrzeuge in der kleinsten Klasse, die Kleinkrafträdern mit bis zu 50 Kubikzentimetern Hubraum entspricht, fast 30 Prozent aus. Ähnliches gilt für die Klasse mit einem Hubraum bis zu 125 Kubikzentimetern, wo im vergangenen Jahr mehr als 10 Prozent der neu zugelassenen Zweiräder einen Elektroantrieb hatte.
Viele Hersteller setzen demnach gerade in Stadtgebieten auf den E-Antrieb. Gerade aus China werden zahlreiche Elektro-Roller angeboten. Auch BMW fokussiert sich nach eigenen Angaben bei neuen Modellen für städtische Räume und überschaubare Distanzen ausschließlich auf elektrisch angetriebene Fahrzeuge. Schließlich seien die Bayern mit ihrem ersten E-Großroller C Evolution von 2013 auf Anhieb Marktführer geworden und hätten den Markt wesentlich angeschoben, betont Diehl-Thiele.