Zum Verkaufsstart bei uns: Der Megane e-Tech im Praxiseinsatz
Von Horst Bauer
Die ersten Kilometer am Steuer des neuen Renault Megane e-Tech wurden auf idealem Geläuf für E-Autos abgespult. Spätsommerliche Temperaturen, wenig frequentierte Landstraßen mit ambitioniert überwachten Tempolimits - und weit und breit keine Erhebung in Sicht, die den Namen Hügel verdienen würde. Von Bergen gar nicht zu reden.
Nach den Erkenntnissen, welche diese erste Ausfahrt mit dem für Renault so wichtigen Megane e-Tech im vergangenen Herbst im Zuge des Tannistest der "Auto-des-Jahres"-Jury im Norden Dänemarks geliefert haben, war es jetzt an der Zeit, die Herausforderungen etwas zu erhöhen.
So stellte sich der mittlerweile in der sieben Modelle umfassende Shortlist der Wahl zum "Auto des Jahres 2022" gelandete Megane e-Tech nun den etwas harscheren Fahrbedingungen im österreichischen Winter. Auch wenn ihm größere Schneemengen und arktische Temperaturen erspart geblieben sind, waren die Einsatzbedingungen diesmal doch wesentlich näher an dem, was ihn ab dem Österreichstart im Frühjahr in der täglichen Praxis hierzulande erwartet.
Wie ist er also damit umgegangen und was ist besonders aufgefallen nach mehreren Tagen mit einem Megane e-Tech in der Konfiguration von 160 kW / 218 PS Leistung und 60-kWh-Batterie auf heimischen Straßen?
- Gewicht: Das geringere Gewicht gegenüber seinen vergleichbaren Konkurrenten (ab rund 1,6 Tonnen) macht sich im Farbetrieb positiv bemerkbar. Auch wenn bei Rillen oder Bodenwellen natürlich nicht ganz zu verleugnen ist, wieviel Masse hier von den Stoßdämpfern in Zaum gehalten werden muss, die Agilität des Elektro-Megane ist beeindruckend. Selbst bei forcierter Gangart ist in Kurven jedlicher Radien keine überbordende Seitenneigung zu spüren. Und das Anbremsen ist dank der dreifach verstellbaren Rekuperationsstufen als Hilfe für die normale Bremse auch bei sportlicher Gangart kein Problem.
- Fahrverhalten: Die Aufgabe, all die Leistung und das Drehmoment des E-Motors via Vorderachse in unmittelbaren Landgewinn umzusetzen, wird selbst im Sport-Modus und auf kalter, rutschiger Fahrbahn bergauf weitgehend problemlos erledigt. Die Antischlupfregelung muss hier kaum eingreifen, wenn der rechte Fuß nicht total unsensibel mit dem Fahrtgeber (ehemals Gaspedal) umgeht. Da hatten die elektronischen Helfer auf der regennassen dänischen Fahrbahn weit mehr zu tun. Dennoch bleibt aus alpenländischer Sicht ein Punkt ganz dick unterstrichen auf dem Wunschzettel an die neuen Renault-Lenker: Der für die hier erstmals eingesetzte, von Grund auf neu entwickelte Plattform technisch mögliche Allradantrieb möge doch zumindest dem leistungsstärksten Topmodell als Option mit auf den Weg gegeben werde.
- Verbrauch: Das vergleichsweise geringere Gewicht ist aber nicht nur im Fahverhalten zu merken. Auch auf den Verbrauch wirkt es sich deutlich positiv aus. Wie überhaupt die vom Bordcomputer versprochene Reichweite im normalen Fahrbetrieb weitgehend auch erreicht wird. Mit einem Praxis-Verbrauch von 19,8 kWh für 100 km auf einer gemischten Runde mit Stadtverkehr, Landstraßen samt forcierten Bergauf- und Bergab-Passagen und Autobahnkilometern mit Tempo 130 (bei Außentemperaturen um den Gefrierpunkt) kann sich der Megane e-Tech im Vergleich mit aktuellen Konkurrenten mehr als sehen lassen.
- Laden: Zur besseren Einschätzung ein paar Praxiswerte zum Thema Laden: Von 26 % Batteriekapazität auf 80 % wurde in 1 Stunde 38 min. aufgeladen. Auf 100 % hätte es laut Bordcomputer bei 2 Grad Außentemperatur 2 Stunden und 23 Minuten gedauert. Und das bei einer öffentlichen Ladestation im Wiener Stadtgebiet mit 11 kW Leistung. Bei 81 % Batterieladestatus verspricht der Bordcomputer dann 229 km Reichweite.
- Cockpit: Grundsätzlich hat sich der positive erste Eindruck auch im Betrieb über mehrere Tage bestätigt. Was nicht zuletzt an der fixen und sehr verständigen Sprachbedienung liegt, die sich Renault ja jetzt samt der Benutzeroberfläche von Google liefern lässt, statt die Welt neu erfinden zu wollen. Die solide verarbeiteten hochwertigen Materialien und ein gut in den Armaturenträger integrierter Touchscreen im Hochformat stehen ebenfalls auf der Haben-Seite.
Was nicht sein hätte müssen, sind - wie bereits im ersten Fahrbericht bemängelt - die drei Lenkstockhebel rechts hinter dem Lenkrad. Vor allem der Fahrt-Wählhebel ganz oben wirkt etwas verloren. Renault-Fahrer werden sich aber zumindest darüber freuen, dass ihr gewohnter Radio-Satellit erhalten geblieben ist und sie nicht irgendwo am Armaturenbrett oder gar auf dem Touchscreen herumfummeln müssen, um die Lautstärke zu ändern oder den Sender zu wechseln.
- Tempolimit-Erkennung: Was trotz aller High-Tech-Anmutung leider auch im Test-Megane (noch?) nicht funktionierte, ist die verlässliche Erkennung der jeweils geltenden Tempolimits durch die elektronischen Helfer an Bord. Was umso ärgerlicher wird, wenn man sich auf die gut gemeinte Funktion des aktiven Tempomaten verlässt, der die selbsttätig jeweils erkannten Tempolimits automatisch übernimmt. Blöd nur, wenn er etwa mitten im Ortsgebiet von Fischamend plötzlich glaubt, ein 110-km/h-Limit erkannt zu haben und selbsttätig kräftig Gas gibt. Dass der Ausgleich dafür dann auf der A4 erfolgt, wo das System nach mehreren Kilometern Fahrt mit den geltenden 130 km/h unvermittelt in die Eisen steigt, weil es vermeint, ein 80-km/h-Limit erkannt zu haben, macht die Sache nicht besser.
- Heizung: Praktisch hingegen und im dänischen Spätsommer im Gegensatz zum Wiener Winter noch nicht so aufgefallen: Die Schalter für Sitz- und Lenkradheizung sind leicht zu finden und mit einmal Hintappen bedienbar. Was auch nicht bei allen Konkurrenten der Fall ist.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass der Renault Megane e-Tech nicht nur optisch, sonder auch technisch das Zeug in sich hat, die heimische E-Auto-Zulassungsstatistik ordentlich aufzumischen. Dem sollte auch die Preigestaltung (zwischen 37.300 € und 43.700 €) nicht im Wege stehen.