Motor/E-Mobility

Günther Schuh: "Wollen 20.000 E-Autos im Jahr produzieren"

Mit seinen StreetScootern, leichten elektrischen Transportern, die er für die deutsche Post konstruierte, sorgte Günther Schuh für Aufsehen in der Automobilbranche. Nachdem die deutsche Post die StreetScooter GmbH übernahm, zog er sich aus dem Unternehmen zurück, um bald darauf etwas neues aufzubauen - den e.GO Life, ein kleines leistbares Elektroauto gedacht für Ballungsräume. Privat fährt Günther Schuh einen Porsche Panamera e-Hybrid und in Österreich war er erst Anfang des Jahres auf Winterurlaub. Seine Pläne für den e.Go Life schließen auch den österreichischen Markt ein.

KURIER: Herr Professor, muss sich die deutsche Autoindustrie vor Ihnen fürchten?

Schuh: Nein, vielleicht erschrecken die sich für einen Moment, aber eigentlich bin ich ja wie ein Straßenschild, eine Abzweigung, die ich empfehle. Wenn man das nur von einem reinen Forscher hören würde, könnte man das leicht übersehen. Jetzt sind wir einen Schritt weitergegangen und jetzt wär‘ gut, wenn man diese Abzweigung auch mal ausprobiert. Vor uns muss keiner Angst haben, aber es wär‘ schön, wenn alle mal hingucken und sagen, wäre das nicht auch was für uns.

Sie bieten Ihr Auto viel günstiger an als andere. Wie gelingt Ihnen das?

Nun, das war von Anfang an unser Hauptziel. Ich glaube, alle andere Hersteller haben auch das Ziel, ein günstiges E-Auto herzustellen, haben aber eine Reihe von anderen Zielen höher priorisiert, entsprechend sind andere Produkte herausgekommen. Wir sind zum Schluss gekommen, dass es vorerst mit Feststoffbatterien nicht so leicht sein wird, ein günstiges und vergleichbares Auto zu bauen, das eine ähnliche Reichweite schafft wie ein Verbrenner und ungefähr genauso viel kostet. Auf Grund der exponentiell zur Reichweite quasi ansteigenden anteiligen Batteriekosten ist es im Prinzip nicht möglich. Und wir kommen ja gar nicht aus der Automobilentwicklung, sondern aus der Produktion. So haben wir gesagt, wie machen wir‘ s umgekehrt - ab wann wäre das Preis/Leistungsverhältnis attraktiv? Wenn ich den Nutzen des Autos halbiere, mit deutlich kürzerer Reichweite, aber den Preis nicht halbiere, sondern sogar um 60% zurücknehme, dann habe ich ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis als bei dem, was bisher angeboten wird.  Dann kommt etwas heraus, was gesellschaftlich am dringendsten ist, nämlich die Bürger in den Städten vor den giftigen Emissionen zu schützen, die giftigen Emissionen sind die Stickoxide. Hier könnten wir sogar einen Masseneffekt erzielen, wenn sich eine neue Lösung jedermann auf Anhieb leisten kann. Darauf haben wir unser Erstfahrzeug ausgelegt, und das ist gelungen.

Damit will ich nicht sagen, dass die etablierten Autohersteller das nicht auch könnten. Ein Kleiner mit einfachen Strukturen und mit schnelleren Prozessen hat es per se natürlich leichter als ein Etablierter. Ich würde mich sehr freuen, wenn die Autoindustrie diesen Wegweiser auch nutzen würde und zumindest mit einem Teil ihrer Kapazitäten da abbiegen würde.

Wie viele Autos wollen Sie vom e.GO Life eigentlich im Jahr produzieren?

Wir hatten gedacht, dass wir maximal 10.000 im Jahr produzieren. Jetzt werden wir von der Nachfrage so überrannt, dass wir die optionale zweite Schicht früher einrichten werden, dann werden wir 20.000 Autos im Jahr produzieren können. Und wir haben schon die Planung für eine dritte Schicht gestartet, dafür müssen wir den Lagerbereich und den Wareneingangsbereich noch um 30% vergrößern. Wenn das mit den Anfragen so weitergeht, werden wir das schon in der zweiten Hälfte 2019 machen. Und ab 2020 können wir dann 30.000 Autos im Jahr herstellen.

 

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Wie lange wartet man auf das Auto, wenn man jetzt bestellt?

Es ist leider so, aber im Moment warten Sie etwa 15 Monate. Wenn Sie jetzt bestellen, würden wir im März/April 2019 liefern. Ich finde das sehr schade. Nur als Trost:  Als mein Papa früher einen Mercedes bestellt hat, war das auch so.

Kann man den e.GO Life auch als österreichischer Kunde kaufen?

Ja, wir wollten das so. Wir haben Vorbestellungen aus Österreich, aus der Schweiz und aus den Niederlanden. Wir werden mit einem oder zwei Importeuren in Österreich zusammenarbeiten, die wir derzeit vertraglich noch nicht gebunden haben. Insgesamt wollen wir in sieben europäische Länder exportieren. Aus familiären und sprachlichen Gründen liegt uns Österreich nahe. Ich bin zuversichtlich, dass wir bis Mitte des Jahres die wichtigsten Vertragspartner in unseren „Anrainerländern“ gefunden haben – das heißt, gefunden haben wir sie schon, wir haben das Privileg, dass wir mehrere Optionen haben. Da verhandeln wir gerade.

Wie viele Autos wollen Sie in Österreich verkaufen?

Unser Ziel ist es, 2019 zwischen 1000 und 2000 Autos in Österreich zu verkaufen. Österreich ist prädestiniert und es wäre schön, wenn uns das mit einem guten Partner gelingen würde.

Jedenfalls müssen sich die Kunden um die Versorgung keine Sorgen machen, wir werden rechtzeitig den Bosch Car Service, der den Service für alle unsere Autos macht, in Österreich qualifizieren, der Rahmenvertrag ist schon geschlossen.

Wann wird eigentlich das Thema Reichweitenangst und lange Ladezeiten vom Tisch sein?

Nie. Das ist ein Mähr, die leider immer vorbei an der Physik und Chemie kolportiert wird, weil alle Menschen sich das wünschen. Aber dass wir mit Feststoffbatterien genauso weit und so schnell fahren können und das zu einem vergleichbaren Preis, das ist mit der bisher absehbaren Physik und Chemie nicht zu sehen.

Um Ihnen eine Orientierung zu geben: Derzeit werden Batterien für ungefähr 160 Euro pro Kilowattstunde verbaut. Das was wir heute kennen, teilweise unter Laborbedingungen, wären Batterien mit 100 bis 120 € pro Kilowattstunde. Um das vergleichbar zu bekommen, müssten Batterien „all-in“ weniger als 55 Euro pro KWh kosten. Selbst mit der übernächsten Generation, mit der Post Lithium Batterie, wird man vielleicht in Zukunft in die Mitte davon kommen. Aber da haben wir immer noch keine Fahrzeuge, die dasselbe können. Solche Batterien haben zwar eine höhere Dichte, aber die entziehen sich wieder der Schnelllademöglichkeit.

 

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Die Lithium-Ionen-Batterie ist ja auch extrem temperaturempfindlich. Wenn Sie mit unserem kleinsten Auto eine Reichweite von 136 km nach NEFZ bei 20 Grad Außentemperatur haben, dann reduziert sich das bei minus 10 Grad – so wie es bei mir zuletzt in Obergurgl war - wahrscheinlich auf 70, 80 km und das kann keiner verhindern. Damit ist das für den Nutzer kein vollwertiger Ersatz.

Was halten Sie eigentlich von Tesla? Kann das funktionieren?

Erstmal hat Tesla viel für den E-Automobilbau und den Markt getan. Man kann Herrn Musk und der Firma nur dankbar sein, dass sie so mutig und konsequent zumindest Premiumautos geschaffen haben, verbunden mit der schönen Erkenntnis - auch für Autofreaks -, dass elektrisch Autofahren auch Spaß machen kann. Aber: Auch Tesla kann die Physik nicht außer Kraft setzen. Tesla wird seine Schwierigkeiten haben, ein bezahlbares Normalfahrzeug zu bauen.

Ich als Porsche-Fan habe mir übrigens schon den Mission-E von Porsche vorbestellt, weil mir ein deutsches, oder bei Porsche ein deutsch–österreichisches, Auto lieber ist als ein amerikanisches. Aber so faszinierend das ist, auf das Volumen hat weder Tesla noch Porsche einen Einfluss, das sind im Prinzip keine logischen Autos, das sind Fun-Autos. Die Logik muss in der Masse passieren. Das sind Autos unter 25.000 Euro. Da sind wir wieder bei unserem Konzept. Und mit dem Anspruch gleiche Reichweite und dicke Batterie ist das nicht zu machen. In fünf Jahren nicht und in zehn Jahren auch noch nicht.

Was halten Sie eigentlich von Wasserstoff als Alternative?

Sehr viel, aber Wasserstoff ist nicht die Alternative, sondern die logische Ergänzung. Die Brennstoffzellenlösung ist für mich das Licht am Ende des elektromobilen Tunnels. Aber das wird nicht funktionieren, wenn man zu komplizierte Brennstoffzellen macht, sondern man braucht kleine stationäre, die als Range Extender arbeiten. Und man braucht eine Batterie, aber nur eine kleine.  Die gute Lösung wäre also ein Auto mit einem elektrischen Antrieb, eine kleine Batterie und einem stationären Brennstoffzellenaggregat verbunden mit einem mittelgroßen Wasserstofftank mit 2 kg und 4 kg hochkomprimierten Wasserstoff.  Wenn man die Brennstoffzelle und das Tanksystem für den Wasserstoff einigermaßen wirtschaftlich und auch sicher hinkriegt, dann würde ich mir wünschen, dass spätestens ab Mitte der 2020er Jahre nahezu jedes E-Auto, das nicht als reines Stadtauto konzipiert ist wie unser e.GO Life, einen ordentlichen E-Motor, eine kleine Batterie und eine Brennstoffzelle als Range Extender hätte.

Was heißt das für Ihre nächsten Modelle?

Wir machen unseren nächsten beiden größeren Autos, vor allem den e.GO Mover, vorübergehend mit einem Verbrenner als Range Extender, um den aber dann so schnell wie möglich durch ein Brennstoffzellen-Aggregat zu ersetzen.

Und Plug-in-Hybrid?

Alle, die ein Universalauto brauchen, sollten eigentlich per sofort Plug-in-Hybride kaufen. Hybride machen nur Sinn als Plug-in, also wenn der größere Teil des Energiebedarfs aus der Steckdose kommt. Ich gehe davon aus, dass die Ersatzlösung für den Verbrenner fürs erste der Plug-in-Hybrid ist, aber die ökologisch noch ehrlichere Lösung ist dann das Brennstoffzellenaggregat, insbesondere wenn der abgespaltene Wasserstoff mit ökologisch gewonnener Energie abgespalten wird.

Deshalb machen wir unterhalb von unserem Bus auch ein familientaugliches Fahrzeug für alle, die mehr Platz benötigen, den e.GO Booster, und der wird mit Range Extender angeboten und dasselbe machen wir bei unserem e.GO Mover auch.

Wer liefert den nötigen Verbrennungsmotor?

Wir haben gesucht und es gibt eigentlich nix serienreifes. Aber wir haben hier in Aachen einen genialen Motorenentwickler aus Österreich. Stefan Pischinger (Anm: Leiter des Lehrstuhls für Verbrennungskraftmaschinen an der RWTH Aachen) ist ein Freund von mir und sein Vater Franz hat seinerzeit die FEV (Anm.: Forschungsgesellschaft für Energietechnik und Verbrennungsmotoren) gegründet. Die können mittlerweile auch E- und Hybridantriebe konzipieren und Stefan Pischinger hat mit der FEV einen kleinen Motor konzipiert, der prädestiniert ist, weil er so klein ist, dass er in eine Ersatzradmulde passt.

Ab 2020 sollten wir das Aggregat dann verfügbar haben.

Link: e.GO Mobile AG

Zur Person

Der 59-jährige Günther Schuh ist seit 2002 Inhaber des Lehrstuhls für Produktionssystematik an der RWTH Aachen. Weiters ist er Direktor am Werkzeugmaschinenlabor und des Forschungsinstituts für Rationalisierung und im Direktorium des Frauenhofer-Instituts für Produktionstechnologie.

Von 1990 bis 2002 war er an der Universität St.Gallen(CH), wo er seine Habilitation erlangte und von 1993 bis 2002 den Lehrstuhl für Produktionsmanagement innehatte.

2009 gründete er gemeinsam mit Achim Kampker die StreetScooter GmbH, wo er von 2012 bis 2014 auch Geschäftsführer war. 2015 gründete er die e.GO Mobile AG, deren CEO er ist.