Zentralmatura: Wo bleibt die Kür?
Von Isabella Zins
Die Anzahl der sehr guten Klausuren interessierte niemanden
über die Zukunft der Zentralmatura
Der erste Durchgang der neuen Matura an Österreichs Gymnasien ist fast abgeschlossen: Die MaturantInnen haben ihre vorwissenschaftlichen Arbeiten – von der Öffentlichkeit fast unbemerkt – gut präsentiert und stehen kurz vor ihren mündlichen Prüfungen. Im Fokus der medialen Berichterstattung standen vor allem die Ergebnisse der zentralen Klausuren. Die Ergebnisse? Nicht ganz. Interessant für Ministerium und Medien war nämlich nur die Anzahl der Nicht genügend – der Prozentsatz der nicht bestandenen Prüfungen in Englisch, Mathematik und Deutsch ergab ein Bundesländerranking mit den Schlusslichtern Vorarlberg und Wien. Die Anzahl der sehr guten und guten Klausuren interessierte niemanden, sie wurde vom Ministerium (außer in Mathematik) gar nicht erhoben. Das zeigt meiner Ansicht nach deutlich, wo die Reise hingehen soll: in die Mittelmäßigkeit!
Herausforderung
Erwiesenermaßen brauchen motivierte Menschen Herausforderungen, die sie weder über- noch unterfordern. Sie wollen auf ihre Leistung, konkret auf die Matura, stolz sein können. Wenn MaturantInnen mit unterschiedlichen Bildungswegen in unterschiedlichen Gymnasien mit schulautonomen Schwerpunkten zum Schluss auf dieselbe Weise "vermessen" werden, stellt sich bald Frustration ein: bei den SchülerInnen selbst und ihren mitfiebernden Eltern und bei den ProfessorInnen, die ebenfalls auf dem Prüfstand stehen. Sprachlich in Langformgymnasien besonders geförderte MaturantInnen fanden die Englischklausuren heuer lächerlich einfach, andere fühlten sich gefordert. AbsolventInnen eines Naturwissenschaftszweiges hatten dank eines höheren Stundenausmaßes bessere Chancen auf eine sehr gute Note in Mathematik als beispielsweise SchülerInnen von Oberstufenrealgymnasien, die Haupt- bzw. NMS-SchülerInnen den Weg zur AHS-Matura ebnen sollen – trotz teilweise hohen Nachholbedarfs ohne zusätzliche Unterrichtsstunden in Deutsch, Mathematik und Englisch in der 9. Schulstufe. Eine Herkules-Aufgabe für ProfessorInnen.
Aussagekraft
Von wegen Gerechtigkeit und Vergleichbarkeit! Spätestens dann, wenn im kommenden Jahr auch die BHS-Formen ihre Zentralmatura haben – wohlgemerkt: eine eigene für HTL, HAK, HLW usw., noch dazu mit anderen Vorgaben als in den Gymnasien – wird die Gerechtigkeitsdebatte erneut und umso stärker ausbrechen: Wie steht es um die Vergleichbarkeit und Aussagekraft der Matura, wenn die Rahmenbedingungen so verschieden sind? Wenn BHS-MaturantInnen das Wörterbuch bei der dreiteiligen Englisch-Klausur verwenden dürfen und AHS-MaturantInnen bei der vierteiligen nicht? Wenn die Mathematik-Klausuren völlig verschieden sind? Einzig die Deutschklausuren sollen gleich sein, weswegen allerdings die Literatur auch an den Gymnasien unter die Räder kommt. . .
Ausweg
Wissenschafter wie Prof. Taschner zeigen einen Ausweg aus diesem Dilemma auf, den die ExpertInnen der Praxis von Anfang an gefordert haben: TEILzentrale Klausuren in Deutsch, Mathematik und einer lebenden Fremdsprache. Der erste Teil mit gleichen zentral vorgegebenen Aufgaben für ALLE, also AHS und BHS, testet das Verständnis der Grundkompetenzen ab. Der zweite Teil wird individuell an den Schulen zusammengestellt und bildet den Schulschwerpunkt ab, quasi als Kür neben der Pflicht. Positiver Nebeneffekt: Kosteneinsparung!
In Zeiten eines großen Budgetlochs im Bildungsressort sollte zumindest dieses Argument ziehen.
Mag. Isabella Zins ist Direktorin am BORG Mistelbach(Fächer: Deutsch und Latein), Mutter von drei Kindern