Zebrastreifen
Von Simone Hoepke
In China sollte man nur gut frisiert bei Rot über die Ampel rennen.
über Zebrastreifen
Springt die Fußgängerampel auf Rot um, bleibe ich an der Gehsteigkante stehen wie der Ochs vorm Scheunentor. Zumindest wenn ein Kind in Sichtweite ist. Ich bin richtig vorbildlich, seitdem mich eine Dame mit Blicken fast getötet hätte, weil ich vor ihrem Spross bei dunkelorange zur Busstation gegenüber gehastet bin.
In China sollte man künftig besser nur gut frisiert bei Rot über die Ampel rennen. Einige Städte stellen Verkehrssünder an den Pranger. Sie fotografieren sie und projizieren das Bild samt Namen auf einen Bildschirm an der Kreuzung. Gesichtsscanner machen es möglich. Datenschutz ist nicht so das große Thema in China. Sogar am Pekinger Himmelspark gibt es jetzt einen Gesichtsscanner – vor den Toiletten. Wer 60 Zentimeter Klopapier haben will, muss erst das Gesicht in die Kamera halten, schreibt die Süddeutsche Zeitung.
Ein bissl wie bei der Einreise in die USA. Da muss man auch in die Kamera schauen. Dafür ist das Queren der Straße relativ unkompliziert. Man geht einfach. Egal, was die Ampel anzeigt. Die New Yorker verstehen das Ampelsignal mehr als unverbindliche Empfehlung. Wer wie ich stehen bleibt, wird fast überrannt.
Die einzige Hauptstadt, die ohne Ampel auskommt, ist wohl Thimphu, Bhutan. Das heißt nicht, dass die Bhutaner kreuz und quer über die Straße rennen. Tun sie nicht. Sie nutzen stets den Zebrastreifen. Weil der Officer sonst sieben Euro Strafe kassiert.
Es kann aber auch zum Problem werden, wenn alle über den Zebrastreifen rennen. Davon kann Ålesund ein Lied singen. Auf der norwegischen Insel legen zig Kreuzschiffe an, aus deren Bäuchen bis zu 7000 Touristen strömen, die dann mit der Kamera vor dem Gesicht über den Zebrastreifen ins Zentrum stolpern.
Bei 7000 Passagieren an Bord kann das dauern.
Autofahrer verbringen so 20, 30, 40 Minuten oder eine gefühlte Ewigkeit vor dem Zebrastreifen. Das ärgert auch ihre Chefs, die währenddessen allein im Besprechungszimmer sitzen.
Deswegen haben Firmen schon ihren Sitz verlegt – in Gegenden, die nicht durch Zebrastreifen lahm gelegt werden.