Tour-Blog: Reha-Ausfahrt mit Knalleffekt
Wochen-, wenn nicht monatelang hat man schon geredet von der 3. Etappe. Alle waren nervös, Contador holte Peter van Petegem als Trainer aus dem Ruhestand, es gab Besichtigungen, Aufregung, Erwartung und Spekulation massenhaft. Am Ende war's alles, was man sich erwartet hat, leider auch ein wenig von dem, was befürchtet wurde. Und ging ganz anders aus, als vorhergesagt (nicht nur, zu meiner Verteidigung, von mir).
Fangen wir am Anfang an: Wenn so ein Team das Gelbe kriegt, wo keiner damit gerechnet hat, ist das ja meistens langweilig. Aber nicht so Quickstep: In nullkommanix hat die Eddie-Merckx-Fabrik zwei Räder ausgespuckt, eins für Chavanel in gelb auf der einen und grün auf der anderen Seite (netter Effekt für die 2 Spezialtrikots, etwas Two-Face), und ein rotgepunktetes fürn Pineau (weil der die Bergwertung anführt). Hätten wir das also mit Stil abgehandelt. Nettes erfundenes Detail am Rande: Aneinandergelegt übertraf die Gesamtlänge aller getragenen Mullbinden die Strecke der heurigen Tour de France. Aber im Ernst, bei 60, 70 Leuten, die gestern auf dem ausgelaufenen Öl ausrutschten, sah das wirklich ein bissi aus wie ein Reha-Ausflug vom Lazarett ums Eck.
Aber dann, so 50 km vorm Ziel, war dann Schluss mit Lustig und Aus die Gaudi. Saxobank hatte eindeutig was vor, mit Höllentempo in die ersten Pflasterabschnitte hinein, da geht's natürlich darum, wer ist vorn, wer kommt am besten durch. Weil wenn da drin das Feld auseinanderreisst, oder irgendwer umschmeisst und du bist hinten, verlierst du Zeit. Die Positionskämpfe, das muss brutal sein - 180 Leute, und alle wollen Erste Reihe. Kaum bist du vorn, kommt eine Kurve, und schon ist wieder alles umgewürfelt. Klassikerfahrer können das, aber die Tour-Favoriten sind eigentlich allesamt keine solchen. Ja, die Schlecks gewinnen auch schon im Frühjahr, auch Lance gewann schon den Fléche Wallonne. Aber alles nix gegen die Pflastersteinhölle von Paris-Roubaix, ich glaub, Bernard Hinault war der letzte, der Paris-Roubaix und Tour de France gewann (dafür mit Stil, nämlich im selben Jahr).
Gerade Contador und Andy Schleck wurden der Untergang prophezeit: Leichte Bergflöhe, das geht gar nicht, die werden nur so herumgeschupft vom bösen Pflaster. Aber da hat man nicht damit gerechnet, dass es Fabian gibt, und auf der anderen Seite Vinokourov, weil die beiden haben ihre Chefs perfekt durchgebracht. Cadel Evans brauchte sowas nicht - der Ex-Mountainbiker kann ja schon ganz gut radfahren, das muss man ihm lassen.
Ich kann da jetzt eh nicht erzählen, was alles passierte. Jedenfalls: Nach viel Staub, Chaos, Gerumpel, Schweiss und Tränen kam auf der anderen Seite eine Gruppe raus, mit Fabian, Andy, Cadel Evans, Thor Hushovd, etc., die wie die Teufel fuhren, um möglichst viel Zeit auf die nächste grössere Gruppe mit Contador und Menchov zu gewinnen. Armstrong hintendrein, nach einem Patschen ganz schmutzig, frustriert und übelst gelaunt. Materialpech hat dann auch Chavanel das Gelbe gekostet: Gleich 2 Patschen, und müde war er auch vom gestrigen Gewaltritt. Pech für Fränk Schleck: Gebrochenes Schlüsselbein, Krankenhaus, Ausmaus - Schade! Am Ende dann ein Zielsprint: Zuerst zieht Hesjedal an, stottert, verreckt, dann Andy, stottert, verreckt, und dann Thor Hushovd, der so richtig schön mit einem "Ja, seid's eh lieb"-Sprint alle vernichtete. Wohl auch ein wenig Rache, weil der war ja so gar nicht glücklich mit der Neutralisation gestern. Aber sicher hauptsächlich, weil er gern wieder das Grüne Trikot hätte.
21 Sekunden hat Andy Schleck jetzt auf Alberto. Klingt nicht viel, oder? 2007 waren zwischen Platz 1 und 3 genau 31 Sekunden.
So, jetzt hoffe ich doch, dass bei Etappen 4, 5 und 6 einmal ganz normal und ordentlich gesprintet wird. Das Duell Hushovd gegen Cavendish will ich sehen. Und ausserdem: Fabian im Gelben bis Sonntag!