Sieben Tage Mindestsicherung
Von Martin Schenk
Es genügt nicht, über die Mindestsicherung allein zu sprechen.
über das Streitthema Mindestsicherung
Nehmen wir eine Woche mit ihren sieben Tagen. Und beginnen am Montag mit den ersten Reformen. Es gibt eine Reihe von Problemen in der Mindestsicherung, die sich nicht nach den Kampagnen der Parteibüros richten. "Wer sieht unsere Sorgen und Ängste?", höre ich immer mehr Leute sagen, die nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen sind. Montagabends würde es jedenfalls weniger Bundesländer Wirrwarr geben. Sachlich ist nicht zu rechtfertigen, dass neun verschiedene gesetzliche Regelungen herrschen.
Am Dienstag gehen wir die Finanzierung an, die mehr als problematisch ist. Als Landesleistung fallen die Ausgaben in die Gemeinden, Städte bzw. Sozialhilfeverbände. Dieses "Heimatprinzip" hat seine Ursprünge noch im Armenwesen des 19. Jahrhunderts. Arme Gemeinden haben viele Anspruchsberechtigte und damit hohe Kosten, reichere Gemeinden haben wenige Mindestsicherungsbezieher und keine Ausgaben. Das macht es auch attraktiv, Anspruchsberechtigte nach dem Floriani-Prinzip loswerden zu wollen – in die nächste Stadt.
Mittwochs steht die Reform der Regelungen bei Menschen mit erheblicher Behinderung an. Was in der Diskussion untergeht: In den meisten Bundesländern kommt der Mindestsicherung auch die Rolle zu, ein finanzielles Existenzminimum für Menschen mit Behinderung, wenn sie in Privathaushalten leben, sicherzustellen. Auf deren besondere Bedürfnisse hat die Mindestsicherung derzeit keine Antwort. Und es kommt zu großen sozialen Härten, wenn Menschen von Familienangehörigen gepflegt werden.
Gesundheit
Hilfe bei Gesundheitsproblemen, sagt das Donnerstag-Programm: Gibt es seitens der Unterstützungsfonds der Krankenkassen keine Hilfe, sind Therapien, Brillen, Schuheinlagen oder Hörgeräte nicht finanzierbar. Das gilt besonders bei psychischen Erkrankungen.
Am Freitag folgt die Neuregelung der Unterhaltspflichten. Hier braucht es eine zeitgemäßere Definition bei Unterhaltsverpflichtungen zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern – oder sogar zwischen Enkeln und ihren Großeltern. Die derzeitigen Regelungen sind mit einem modernen Sozialstaatsverständnis schwer vereinbar. Samstags kümmern wir uns um eine wirksame Soforthilfe. In existenziellen Notlagen sind drei Monate Wartezeit auf eine Entscheidung zu lange.
Und am Sonntag steht eine grundsätzliche Frage an: Es genügt nicht, über die Mindestsicherung allein zu sprechen. Wenn die Zahl der Bezieher steigt, stimmt in anderen Bereichen der Gesellschaft etwas nicht: Arbeitslosigkeit, Pflegenotstand, prekäre nicht-existenzsichernde Jobs, explodierende Wohnkosten, mangelnde soziale Aufstiegschancen. Es ist notwendig, dort etwas zu tun, wo die vorgelagerten Systeme nicht funktionieren. Es ist klug, dort zu handeln, wo Armut präventiv verhindert werden kann. Denn morgen ist dann wieder Montag.
Mag. Martin Schenk ist Sozialexperte der Diakonie und Mitinitiator der Armutskonferenz