Schule 4.0 – jetzt wird's spannend!
Das Thema ist endlich in der Politik angekommen.
über notwendige Unterrichtsinhalte
Ich hatte die Hoffnung fast schon aufgegeben, dass der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) im österreichischen Schulsystem noch irgendwann die Aufmerksamkeit zuteil wird, die ihr heute fraglos zustehen sollte. Das veranlasste mich Ende 2011 das Institut zur Förderung des IT-Nachwuchses zu gründen, das Technologie-Workshops (großteils mit Robotern) für Kinder und Jugendliche von 4 bis 18 Jahre in Kindergärten, Schulen und im Rahmen von Ferienprogrammen durchführt. 549 Kurse und unzählige Förderabsagen später – trotz der offensichtlichen Bedeutung des Themas und der vielen öffentlichen Unterstützungsbekundungen könnte ich mittlerweile mit Schreiben der Art "Wir bewundern Ihr Engagement, aber …" meine Wohnung austapezieren – ist mein gemeinnütziger Verein zur größten aktiven MINT-Förderorganisation in Österreich gereift und weist jede Menge Erfahrung auf dem Gebiet der altersgerechten Vermittlung informatischer Themen auf.
Schule 4.0
Doch nun gibt es plötzlich Hoffnung! Das Thema ist endlich in der Politik angekommen – zwar viele Jahre zu spät, aber uns ÖsterreicherInnen zeichnet halt eine gewisse Änderungsresistenz aus – und soll unter dem Motto "Schule 4.0" angegangen werden. Ich habe mir die Ideen und Konzepte genauer angesehen und auf den ersten Blick finden sich alle relevanten Punkte wieder. An manchen Formulierungen lässt sich als Insider zwar erkennen, wer hier Pate stand, aber es wäre naiv zu glauben, dass es im Bildungswesen keine Lobbys gäbe. Nach den letzten beiden großen Reformen im Schulwesen mache ich mir trotzdem Sorgen, denn auch diese klangen anfangs toll, die Endergebnisse sind es leider nicht: die NMS wird zur Durchschnittsfalle – wobei ich schmunzeln musste, als eine NMS-Direktorin vor wenigen Wochen in einem KURIER-Interview meinte, dass ihre SchülerInnen gemäß Leistung in Gruppen eingeteilt und unterrichtet werden würden, da sonst kein sinnvoller Unterricht möglich wäre und die Bildungsministerin dies begrüßte (also doch weiterhin Leistungsgruppen, nur nicht offiziell?) – und die neue Lehrendenausbildung ist doch deutlich zu theorielastig ausgefallen.
Mehr als ein iPad
Verschiedene Meldungen seitens führender PolitikerInnen vergrößern meine Sorgen noch: Eine iPad-Klasse und die Erarbeitung neuer Stoffinhalte mittels YouTube-Videos dürfen noch lange nicht das Ende der Fahnenstange sein. Insgesamt muss viel mehr geschehen! Neben Medienkompetenzen und Anwenderwissen müssen vor allem informatisches Denken und Programmieren vermittelt werden – am besten in spielerischer Form ab der Volksschule. Warum Programmieren? Hier geht es nicht darum, dass Kinder zu ProgrammierInnen ausgebildet werden – oder wurde aus allen, die Gedichtinterpretationen in der Schule schrieben, hauptberufliche LiteraturkritikerInnen? Vielmehr lernen Kinder beim Programmieren wichtige Fähigkeiten: große Probleme in strukturierter Weise in kleine umsetzbare Schritte zu zerlegen, kreative Lösungen zu finden, logisch und abstrakt zu denken, vorplanend zu handeln und wenn man es richtig angeht sogar ingenieursmäßig zu arbeiten. Ich bin mir sicher, dass sich dies leistungsmäßig auch auf andere Fächer wie Mathematik positiv auswirken würde. Das gießenkannenartige Verteilen von Tablets und Notebooks klingt zwar gut, wird aber eher in herumliegenden Hardwarebergen in den Schulen enden. Eventuell finden sich manche Tablets auch als Schneidbrette in den Schulküchen wieder, wie es in ähnlicher Form in einem lustigen YouTube-Spot zu sehen ist. Kritisch stehe ich auch Lernspielen gegenüber. Jene sollten immer nur ein Werkzeug sein und ergänzend im Unterricht zum Einsatz kommen. Viele Inhalte lassen sich Old-School-mäßig – wie passend in diesem Kontext! – nach wie vor besser vermitteln. So sind die von uns eingesetzten Roboter auch nur eine Technologiestütze.
Schulautonomie
Sehr zu hinterfragen ist für mich, ob der Weg, wie das Ganze installiert werden soll, der richtige ist: schulautonom entweder in Form einer verbindlichen Übung oder integrativ. Die Schulautonomie ist in letzter Zeit die Lösung für alle Probleme im Bildungswesen. Doch machen wir so das schulische Schicksal immer mehr von den individuellen Leistungen der DirektorInnen und ihrer Lehrkörper abhängig und entfernen uns dadurch immer mehr von einem Bildungssystem (mit Betonung auf System). Mir sind in den letzten Jahren unzählige engagierte DirektorInnen und Lehrende über den Weg gelaufen, die die Systemmängel durch ihren enormen Einsatz mehr als nur kompensiert haben. Ich habe keinerlei Bedenken, dass sie auch die neuen Vorgaben bestens umsetzen werden. Doch wird das überall so sein? Mutig wäre es gewesen, ein Pflichtfach mit festgelegtem Curriculum einzuführen. Ob die Fortbildung der Lehrenden wie angedacht klappen wird, bleibt spannend. Meine Vision war jedenfalls immer, dass wir nur den ersten Workshop in einer neuen Partnerschule durchführen und dann im Jahr darauf die Lehrenden der Schule selbst aktiv werden. Mein Vorhaben hätte letztendlich nicht eindeutiger scheitern können. Mir ist jedenfalls keine Schule in Erinnerung, wo das geklappt hat. Wobei ich auch hier Verständnis habe, denn die Lehrenden müssen heute bereits so viele Themen behandeln, da ist es schwierig auch noch IKT-Themen zu vermitteln. Der Weg wird somit anfangs eher nur über externe Partner führen, wenngleich langfristig das Ziel sein muss, schulinterne Kompetenzen aufzubauen. Wo mir noch ein bisschen die Vision im Konzept fehlt, ist bei der IT-Infrastruktur. Da hat sich in den letzten Jahren gewaltig viel verändert. In modernen Unternehmen wird heute virtualisiert und die Cloud ist ebenfalls angekommen. Statt nur über schnelle Internetleitungen und billige Hardware nachzudenken, sollte man sich überlegen, ob man nicht gleich die gesamte österreichische Schule in die Cloud bringt. Die Lehrenden und Lernenden könnten so von überall auf ihren eigenen Desktop und ihre eigenen Dateien zugreifen. Da würde dann plötzlich die flächendeckende Ausstattung mit Notebooks Sinn machen. Und die Informatiklehrenden könnten sich voll auf ihren Unterricht konzentrieren, anstatt nebenbei noch Installations- und Wartungsaufgaben nachgehen zu müssen. Nicht selten erlebte ich jedenfalls, dass ein notwendiges Softwarepaket vom IT-Verantwortlichen auf jedem Schulrechner einzeln installiert werden musste. Ich finde es toll, dass die IKT-Bildung in der Schule endlich zeitgemäß angegangen werden soll und wünsche für die Umsetzung alles Gute! Meine Organisation wird selbstverständlich ebenfalls ihren Beitrag leisten. Im Idealfall ist sie überhaupt bald überflüssig. Über manches wird man sicherlich noch diskutieren müssen. Das sollte aber stets konstruktiv geschehen, denn das Thema ist zu wichtig, dass hier parteipolitische Differenzen einmal mehr zum Scheitern führen. In diesem Sinne fordere ich alle Beteiligen hiermit auf: Make our ICT education great (again)!
Mag. DI Bernhard Löwenstein (b.loewenstein@gmx.at) ist Gründer und ehrenamtlicher Obmann des Instituts zur Förderung des IT-Nachwuchses (http://ifit.education). Seine gemeinnützige Organisation hat mittlerweile 549