Schreckgespenst oder ernstzu-nehmende Gefahr?
Von Sylvia Freygner
Gibt es zielführendere Ansätze, um „unser Wasser“ zu schützen?
über die EU-Wasserrichtlinie
Die Daseinsvorsorge bekommt mit der gegenwärtig in der EU diskutierten Konzessionsrichtlinie ein neues Kleid. Besonders die rechtzeitig vor den Wahlen dazu losgeschlagene Wasser-Privatisierungsdebatte löst in Österreich Emotionen aus. Könnte, wie von manchen jüngst vorgeschlagen, ein verfassungsrechtlich verankertes Privatisierungsverbot das dargestellte 'Problem' lösen? Wäre ein solches überhaupt sinnvoll EU-rechtskonform? Oder gibt es zielführendere Ansätze, um „unser Wasser“ zu schützen?
Die EU – Privatisierungsmotor, Sündenbock oder beides?
Bereits der EWG Vertrag von 1958 sieht einen freien Wettbewerb in der Daseinsvorsorge vor; seit den 1990ern ist die Vergabe von öffentlichen Aufträgen europarechtlich geregelt - steht also der Rahmen, auf den sich die Liberalisierung stützt. Wasser war schon immer Teil dieser Regelungen betreffend Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI) – so der EU-Jargon zu jenen Leistungen der Daseinsvorsorge -, mit welchen jährlich mehr als 3,3 Billionen EUR und somit ca. 30% des europäischen BIPs erwirtschaftet werden und welche die EU (wohl gerade deshalb) im Wettbewerb sehen möchte. In der Tat kam es auch schon in der Vergangenheit zu Privatisierungen, öffentlichen Aufträgen (öffentliche Hand kauft Versorgungsleistungen durch Dritte ein) und Konzessionen (durch von Konsumenten zu bezahlende Entgelte finanzierte Nutzungsrechte auf Zeit). Der EU-Liberalisierungswille vermag die Strukturen der Daseinsvorsorge also nicht nur künftig tiefgreifend verändern, er tut es bereits. Österreich nutzte bisher großteils die Wettbewerbs-Ausnahmeregeln. Die Eigenerbringung durch die öffentliche Hand bzw. Vergabe „im Haus“ war immer und bleibt nämlich eine Ausnahmebestimmung. Nichtsdestrotz existiert das Regelwerk bereits und öffentliche Unternehmen müssen auf dem freien Markt auch jetzt schon in Einzelsektoren mit Privaten in den Wettbewerb treten, wenn sie die Versorgungsleistung nicht selbst erbringen wollen. Somit ist klar, dass die EU ganz klar an einer Liberalisierung interessiert ist – Zwang besteht jedoch keiner. Dieser Wettbewerb, der ein effizientes Handeln sicherstellen soll, ist auch per se nichts Schlechtes. Gewinner sind jedoch mitunter multinationale Konzerne, da sie bei europaweiten Ausschreibungen mit Dumpingpreisen aufwarten können. Gerade in so sensiblen Bereichen wie der Daseinsvorsorge gilt es somit mit Bedacht vorzugehen. Denn was an Qualitäts- und Sozialstandards im Wettbewerb nicht explizit, verbindlich und messbar gefordert wird, könnte verlorengehen.
Unser Wasser abhängig vom temporären politischen Willen?
Prinzipiell können Mitgliedsstaaten zwar selbst entscheiden, ob sie die Wasserversorgung erbringen oder auslagern. Trotzdem stellt sich die Frage, ob die von Österreich geforderte Antwort auf die Konzessionsrichtlinie - nämlich ein Privatisierungsverbot - in der EU überhaupt rechtlich erlaubt bzw. zweckmäßig ist. Gerade in Zeiten knapper Staatskassen, ist es sogar im Interesse der öffentlichen Hand, wirtschaftlich zu denken und zu sparen. Slogans wie „Mehr privat, weniger Staat“ hört man nicht erst seit gestern. Nicht nur außerhalb, auch innerhalb Österreichs gab es bereits Teilprivatisierungen und Auslagerungspläne. Wer sich gegen Privatisierung stellt, sollte somit eher den politischen und wirtschaftlichen Willen fürchten. Der politische Druck macht diese Entscheidung nämlich zu einer weniger freien als gedacht. So wurden Griechenland und Portugal bereits von der Troika genötigt, für ihre Haushaltssanierung Teile ihrer öffentlichen Trinkwasserversorgung zu privatisieren. Auch temporäre Regierungskonstellationen, Trotzentscheidungen und Wahlzuckerl könnten gravierende Auswirkungen auf die Wasserversorgung haben bzw. die gesamte Grundversorgung zu einem politischen Kartenspiel temporär bestellter Regierungen werden?
Versorgungssicherheit schaffen: neue Ansätze?
Die Frage „Wettbewerb oder kein Wettbewerb“ stellt sich schon lange nicht mehr.
In der Daseinsvorsorge und Wasserversorgung ist ein reiner Preiswettbewerb zu Lasten von Qualität und Versorgungsniveau jedoch nicht zielführend, sondern ernstzunehmende Gefahr für das Wohlfahrtsstaatsmodell.
Aus diesem Grund hat das Wiener PSR Institut (Institut für Public Social Responsibility) ein europäisches Modell zur Harmonisierung und sozialen Absicherung der Daseinsvorsorge für Mitgliedstaten entwickelt. Genau genommen, arbeiten Gremien an der Definition von qualitativen und quantitativen Qualitätskriterien und sozialen Standards, die verpflichtend und transparent in öffentlichen Vergabeprozessen angewendet werden sollten. Diese sollen sicher stellen, dass die Grundversorgung der Bürger erhalten bleibt und der Staat, wenn er nicht mehr selbst erfüllen will, seiner Gewährleistungsverpflichtung nachkommen kann. Transparente Qualitätskriterien, die für alle anwendbar sind, sind die einzige Möglichkeit, um zu verhindern, dass private Anbieter nicht zu Lasten von ArbeitnehmerInnen und BürgerInnen Löhne und Preise dumpen. Versorgungsdienstleistungen sollten nur von jenen Unternehmen erbracht werden, die sich zur Einhaltung dieser Kriterien verpflichten. Transparenz, Qualität und Verantwortung in der Daseinsvorsorge können also nur durch messbare Kriterien, die für alle gleichermaßen verbindlich gelten und einsehbar sind, erreicht werden.
Das Problem, das es zu lösen gilt, heißt also vielmehr: „Wer trägt die Verantwortung dafür, dass Qualitätskriterien für die Trinkwasserversorgung definiert und gesetzlich verankert werden?“ Nicht ein Privatisierungsverbot, sondern einen Verweis auf diese Verantwortung sollte man in der Verfassung verankern.