Meinung

Schleck & Contador gegen den Rest: 1:0

9 Etappen ist sie jetzt alt, die Tour 2010, aber man kann es schon jetzt sagen: Keiner kommt auch nur in die Nähe von Contador oder Schleck. Die zwei sind eine Klasse für sich, und sollte weder Desaster noch Dopingtest zuschlagen, oder sich herausstellen, dass die zwei dämonische Abgesandte der Hölle sind, die kurz vorm Ziel in einer Schwefelwolke wieder hinabfahren, dann sind Platz 1 und 2 vergeben. Am Col de la Madeleine, 10 km vorm Gipfel, 40 km vorm Ziel hat es sich abgespielt: Astana und Saxobank machen ordentlich Tempo und verlieren zuerst Carlos Sastre (der diesmal auch kein Stehaufmandl machte und nimmer zurückkam), dann, Oh Schock!, Cadel Evans, nebst einer ganzen Schar minderer Darsteller in diesem Spektakel. Dann Attacke von Andy, Konter von Contador, und keiner kommt mit. Die zwei verschwinden in einer Staubwolke den Berg hinauf, einzig Samuel Sanchez schafft's irgendwie hintennach - aber auch nur, weil die zwei sich kurz belauern. Andy attackiert nochmals, Contador kontert wieder, und auch Sammy ist Geschichte. Die zwei beschließen: Zusammen lässt man mehr Konkurrenten hinter sich und hat nachher mehr Zeit, sich gegenseitig zu befetzen, und schon ist die unheilige Allianz der brilliantesten Bergfahrer dieser Tage perfekt und lässt niemanden mehr einen Hauch vom Anflug einer mickrigen Chance. Selbst die Abfahrt, jetzt nicht die Stärke keines der beiden, ändert da nix dran, auf den 10 flachen Kilometern ins Ziel wechseln sie sich brav ab, holen die Spitzengruppe noch ein und jetzt schon hat Platz Drei in der Gesamtwertung 2:45 Rückstand.

Krämpfe

Apropos Platz 3: Samuel Sanchez hat heute ein paar Fans dazugewonnen. Mich, zB. Bin ja den Basken sowieso nicht abgeneigt, schiaches Trikot hin oder her, aber was der heute geliefert hat: Zuerst der einzige, der mutig genug war, den AAs hinterherzuradeln, es hat einem das Herz gebrochen. Auf der Abfahrt (Wahnsinn! Der schoss runter, so richtig mit Flow und Stil!) kommt er bis auf 10 Sekunden an die 2, sieht sie vor sich auf der Geraden und verreckt dann elendiglich mit Krämpfen, schmerzverzerrtem Gesicht (man konnte ihn fast schreien hören) und gibt trotzdem nicht auf. Nur 50 Sekunden verloren, als Solist, Chapeau! Anderer Helde des heutigen Tages: Jens Voigt. Ich weiß nicht, gibt es eine Statistik mit den meisten Ausreißerkilometern, wenn ja, er ist sicher weit, weit vorn. Auch am Dienstag wieder, dabei ist er gar kein Bergfahrer, und dabei war's nicht einmal eigennützig. Der Plan war von vornherein: Fahr vorn mit, Andy attackiert, du lässt dich zurückfallen und dann ziehst du. Und das hat er gemacht, bis das letzte Zuckermolekül verbrannt war. Ein paar hundert Meter vorm Gipfel ist er fast vom Rad gefallen. Dritte lobende Erwähnung in diesem Bulletin: Cadel Evans. Und das will was heißen, von mir nämlich. Die Diva, wo immer jeder und alles schuld war, nur er nicht, der seinen Bodyguard Journalisten wegrempeln ließ und der sein Team öffentlich beschimpfte, ist heuer wie ausgewechselt.

Emotionen

Nicht nur, dass er in Zeiten der One-Trick-Pony-Radler auch Weltmeisterschaft und Semi-Klassiker gewinnt, er wertschätzt seine Kollegen, lässt sich mit Team fotografieren, Serge rempelt heuer bei Radioshack, er attackiert und geht Risiken ein, und Dienstags war er ein tragischer Held. Recht früh haben sie ihn stehengelassen, er sah gar nicht gut aus. Aber machte er einen auf Armstrong und bummelte mit steinerner Miene hinterher, jetzt is ma eh alles wurscht, quasi? Nein! Emotionen will der sensationsgeile Zuschauer, und das lieferte er: Er quälte sich hinauf, kämpfte dann um jede Sekunde und brach im Ziel zusammen, heulend fast. Und das alles, wie sie sagten, mit einem angeknacksten Ellbogen. Netter Kontrast zusammengeschnitten vom Fernsehen: Sandy Casar, der Etappensieger, der sein Rad wegschmeißt und überglücklich dem Betreuer in die Arme fällt, und dann Cadel, der sich beim Teamkollegen anhält - wie unterschiedlich emotional aufgeladen doch Umarmungen sein können, wie St. sehr richtig bemerkte.

Jede Menge arge Sachen

Naja. Jede Menge arge Sachen. Und noch nicht einmal Halbzeit. Jetzt werden wir jedenfalls in den Pyrenäen die ungewöhnliche Situation haben, dass das Gelbe Trikot attackieren muss - Zeitfahren ja nicht gerade Schleck'sche Paradedisziplin (wie beim Prolog unrühmlich bewiesen). Bergfahren aber auch nicht gerade Contador'sche Achillesferse. Uiui. Aber immer der Reihe nach: Mittwoch Alpenausläuferetappe, ein paar bessere Hügel im Vergleich zu heute. Vielleicht jetzt einmal Ausreißer? Französischer Sieg am Bastille-Tag? Interessantes Detail am Rande: Die letzte Abfahrt ist jene, wo sich 2003 Beloki (unter anderem) den Oberschenkelhals brach und Armstrong den Abstecher durchs Gemüse machte...